Wild Beasts – Boy King (Review)

Dicke Beats, schwere Basslines, schwüle Synthies. Das fünfte Album der Wild Beasts klingt nach Disco, nach Glam Rock und nach dicker Hose.


So exponiert und direkt klang die Band bislang noch nie und Boy King markiert einen deutlichen Wandel im Vergleich zum letzten Album Present Tense. Dort herrschte eine nachdenkliche Stimmung vor und die Wild Beasts gaben sich ganz ihrer Faszination für Online-Kultur und elektronischer Musik hin.

Auf Boy King lassen sie „ihrem Unmut wieder freien Lauf“, wie Tom Fleming es ausdrückt. Sein Gesangspartner und prägnanter Kontrapunkt Thorpe beschreibt das neue Album als „eine Platte für die Generation Tinder“.

Eine Platte für die Generation Tinder

Jede(r) erlaubt sich, verschiedene sexuelle Identitäten anzunehmen, sei es im wahren Leben oder online. Zugleich ist dies eine Zeit, in der einige der primitivsten Triebe, die er auf dem Album zur Geltung kommen lässt, gemeinhin unterdrückt werden. Get My Bang wurde durch die kommerziellen Orgien inspiriert, die jeder Black Friday auslöst.

„Der Song handelt von den horrenden Strecken, die man hinter sich bringen muss, um in der heutigen Gesellschaft, in der man seinen düster-romantischen Charakter nicht ausleben kann, Befriedigung zu erlangen. Deswegen gehen wir dann einkaufen und streiten uns über das Fernsehprogramm. So befriedigen wir unser „Es“, jenen von Freud definierten ursprünglichen Lusttrieb – so bekommen die Leute ihren Orgasmus.“

Damit der Freilauf auch auf instrumentaler Ebene funktioniert, mussten sie den fragmentarischen Ansatz von Present Tense ebenfalls hinter sich lassen. Zur Erinnerung: Auf dem letzten Album wurden die Songs aus zahlreichen Soundschnipseln und rhythmischen Fragmenten am Computer erzeugt und schließlich zu etwas zusammengefügt, das auch live gespielt werden kann.

Die Wild Beasts setzten sich für die neuen Songs einen musikalischen Rahmen irgendwo zwischen Justin Timberlake, Nine Inch Nails und klassischem Soul und arbeiteten sich daran ab. Nachdem die Band ein Jahr lang in East London gewerkelt hatte, flog sie mit all ihren Songentwürfen nach Dallas zu dem Produzenten John Congleton (St. Vincent, Modest Mouse, Swans).

Die Wild Beasts sind fokussierter

Hier soll es dann recht fokussiert zur Sache gegangen sein. Einfach machen und zum Schluss kommen war die Devise. Mir gefällt dieser Ansatz, bringt er doch einige der stärksten Songs der Wild Beasts zu Tage.

Für mich gehören Alpha Female, He The Colossus und Ponytail dazu. Drei völlig unterschiedliche Ansätze, drei großartige Songs. Alpha Female ist der offensichtliche Hit des Albums mit klarer Struktur und einem perfekt sitzenden Refrain.

He The Colossus ist vielschichtiger und entwickelt sich viel dramatischer. Das anschließende Ponytail ist ein wundervolles Liebeslied, welches von einer tollen Bassline und gepitchten Vokalarrangements getragen wird. Das Herzstück ist aber die dezente Gitarrenmelodie im Hintergrund.

“I want you to love me / I want you to trust me in the bottoms of your heart / No names, no doubt.”

Mit Boy King ist den Wild Beasts wieder einmal eine verdammt überzeugende Platte gelungen. No doubt.



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