Kritik: Deerhunter – “Halcyon Digest”

24. September 2010
4AD/Beggars/Indigo

Bereits auf seinem Solowerk “Logos”, welches er unter dem Pseudonym Atlas Sound veröffentlichte, öffnete sich Bradford Cox, machte sich zugänglich, näherte sich dem Hörer. Diese Herangehensweise hat er jetzt auch auf seine Hauptband Deerhunter übertragen, die mit diesem Album eines der ganz großen des Jahres abliefert. Auf “Halcyon Digest” findet sich so ein großartiger Opener wie “Earthquake”, so ein perfekter Popsong wie “Revival”. Mal sagt die Band in knapp über 2 Minuten alles, mal findet sie kein Ende. Die Welten, die sich zwischen “Earthquake” und “He Would Have Laughed” auftun, sind einfacher ergründlich als noch auf dem Vorgänger “Microcastle”, aber auch ergreifender und mitreißender.

Das ganze Album scheint auf ein Zentrum zuzusteuern, und dass ist “Helicopter”. Dieser Song ist das Herzstück des Albums und möglicherweise der beste der Band bisher. Eine repetitive und ergreifende Hommage an einen erschlagenen russischen Prostituierten, die mit ihren Sounds nicht von ungefähr an Animal Collective erinnert. Zusammen mit dem Opener bleibt “Helicopter” allerdings eine Ausnahme. Die elektronischen Spielereien finden sich in den anderen Songs nur sehr abgeschwächt wieder, Deerhunter bewegen sich hier viel eher im Rahmen des Indie-Rock.

Apropos Indie-Rock, “Desire Lines” beginnt ein wenig wie “Rebellion (Lies)” von Arcade Fire. Das stört aber nicht wirklich. Den einen Punkt Abzug gibt es übrigens für den Versuch bei “Coronado”, die Strokes mit einem Saxofon zu verbandeln. Ich meine: SAXOFON!

3 Anspieltipps: “Earthquake”, “Sailing”, “Helicopter”

9/10


Kommentare

5 Antworten zu „Kritik: Deerhunter – “Halcyon Digest”“

  1. das finde ich voll schade, dass du das saxofon nicht würdigen kannst. zumeist ist das wirklich extrem peinlich und kitschig in rockmusik, aber das saxofon in coronado ist so dreckig und anarchisch, dass es einfach großartig ist. und ich finde es spricht sogar noch mehr für die genialität dieser band, dass sie es schaffen ein oft so peinliches instrument so unpeinlich einzusetzen. coronado ist ein riesensong und das saxofon muss da hin!

  2. kommt mir grad “psychedelic-furs-sax-solos” in den sinn, überflüssig aber auch nicht extrem störend 😉

  3. da stimme ich voll und ganz zu, Saxofon ist das überflüssigste und schrecklichste Instrument der Musikgeschichte. Muss schon lange überlegen einen gelungenen Saxofon-Einsatz zu finden, denn eigentlich verschandelt dieses Holzblasdingsbums jeden Song.

  4. @Thomas: Ja, ich weiß, der Song an sich ist ja auch klasse, aber ich habe eine Abneigung gegen Saxofone und Panflöten, da kann ich nicht aus meiner Haut. Es gibt zwar einige Sachen, die ich trotz dieser Instrumente hören kann (obwohl: Panflöte geht eigentlich nie), aber bei so exzessiver Nutzung kann ich das kaum ignorieren…

  5. Also, tolle Rezi und absolut gerechtfertig, aber Coronado ist eine RIESEN song, und das Saxofon macht das Ding noch größer. Wie beknackt ist das, da ein Saxofon zu machen, das ist doch mal Punk/Indie/wasauchimmer!

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