Mein Jahr in Metal

metal doll

Einige wissen es, einige können es sich denken, andere sind vollkommen ahnungslos. Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger des letzten Jahrhunderts war ich ein Metalhead. Und zwar von der übelsten Sorte. Es konnte nicht hart genung sein. Wobei ich nicht so auf diesen Hasenfick-Grindcore stand, sondern eher auf wuchtiges Gedröhne und Gegrunze. Ich habe eine spannende Zeit miterlebt, die Debütalben von Morbid Angel, Entombed, Unleashed, Dismember, Cannibal Corpse, Morgoth, Bolt Thrower, Deicide, Grave, Asphyx und wie sie alle heißen. Ich wußte was es heißt, wenn hinten auf der Platte Scott Burns oder Sunlight Studios stand. Ich ließ kaum eine andere Musik an mich heran. Das ist lange her. Aber von Zeit zu Zeit packt mich die Neugier, und ich möchte wissen, was gerade aktuell ist. Deswegen hier ein paar Platten, in die ich reingehört habe.

amon amarthAmon Amarth – Twilight of the Thunder God
Schweden-Death. Beginnt melodiös, ein nahezu klassisches Iron Maiden-Riff, dann der erste Schrei, danach beginnt das Gegrunze. Erinnert mich von den Vocals ein wenig an die erste Grave. Technisch versiert wird hier ordentlich geknüppelt, ohne dabei die Melodie oder den hymnischen Refrain zu vergessen. Ganz in der Tradition von At The Gates. Ich habe zwar gelesen, das sich Amon Amarth seit ein paar Platten nicht so recht entwickeln, aber bei diesen Brettern ist mir das auch recht egal. Ich kenne die anderen Platten ja nicht und kann mich gar nicht erst langweilen. Besonders Song Nummer 2, “Free Will Sacrifice” hat es mir angetan. Großartige Riffs und eine klasse Melodie. Textlich bedient man sich bei der nordischen Mythologie und klassischem Wikingergeschichten. Da wird in fast jedem Song in die Schlacht gezogen, das Schwert gewetzt, Asgard beschütz oder auch alleine gestorben.

Ordentliches Pfund von einem Album, das ordentlich rockt und keine Gefangenen macht. Wo ist meine Axt? Ich muss dann mal kurz gegen die Übermacht von Feinden vor meiner Haustür kämpfen….

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amon amarthGenghis Tron – Board Up the House
Ganz anderer Fall. Kommen aus den USA und haben einen etwas anderen Ansatz. Arbeiten viel mit Synthesizern und mit programmierten Drums. Diese drei Jungs knüppeln ordentlich drauf los und gegrunzt wird auch. Aber immer wieder brechen die Songs auf, und es folgen Breaks mit richtigem Gesang. Teilweise gibt es sogar rein elektronische Songs, die wie im Fall von “Recursion” original von einem Aphex Twin-Album stammen könnten. Aphex Twin kommt mir beim Hören öfter in den Sinn, denn auch viele Breaks klingen stark nach Richard D. James. Zu seinen “Selected Ambient”-Zeiten. An einigen Stellen nervt dieses Album allerdings ein wenig, vor allem dann, wenn Geknüppel mit Geschrei und Elektronik vermischt wird und kein Part länger als 10 Sekunden durchgehalten wird. Hinzu kommt die etwas mittenlastige Produktion, die im Vergleich zu Amon Amarth etwas blechern klingt.

Aber ganz allgemein gefällt mir diese Symbiose aus elektronischen Versatzstücken und einer ordentlichen Prise Death Metal und Grindcore. Verkopfter als die eben besprochenen Schweden, aber fast genauso gut.

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amon amarthGojira-The Way Of All Flesh
Die Franzosen von Gorija liegen irgendwo zwischen den eben besprochenen Bands. Technisch sehr versiert und an vielen Stellen auch recht vertrackt verlieren sie allerdings nie die Eingängigkeit ihrer Songs aus dem Blick. Auch hier wird desöfteren mit der Stimme gespielt, von elektronisch verstärkten Growls (spricht man eigentlich noch von Harmonizern?) bis hin zu eher Hardcore-mäßigem Testosteron-Gesang. Der erste Song ist schön vertrackt, der zweite brettert ordentlich los. Bei Song Nummer 3, “A Sight To Behold” erklingen allerdings ungewohnte Töne. Das Intro klingt ein wenig nach EBM, mit Vocoder-Gesang und einem fast poppigen Ansatz. Großartiges, raumgreifendes Ende. Highlight ist für mich jedoch das alles plattmachende “Vacuity” mit seinem hymnischen Refrain. Erinnert mich ein wenig an Crowbar (kennt die noch jemand?), nur etwas schneller. Gute Platte, die ohne Rücksicht durch 12 Songs rumpelt und in der zweiten Hälfte immer besser wird.

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So, das soll es gewesen sein. Ich kratze mit Sicherheit nur an der Oberfläche, und es gibt bestimmt eine Menge Veröffentlichungen, die ich lieber hätte hören sollen, aber meine Stimmung läßt mir nur wenige Stunden im Jahr für ein paar deftige Songs. An alle Freunde der härteren Gangart: habt ihr noch Empfehlungen?

Foto: fonk


Kommentare

3 Antworten zu „Mein Jahr in Metal“

  1. Avatar von Oberplaner

    Hasenfick-Grindcore? wuchtiges Gedröhne und Gegrunze? Na da wird mir so langsam einiges klar.

  2. Amon Amarth verschlinge ich ja regelrecht, deswegen noch mein Senf dazu: Was das Hymnische angeht haben die Jungs sicher ihren Zenith erreicht, evtl. sogar schon überschritten. Dagegen gibts technisch nochmal eine ganze Ecke mehr, ein so filigranes Solo wie am Ende von Twilight Of The Thunder God gabs bisher jedenfalls noch nicht. Auch scheint man ein wenig experimentierfreudiger (Geige bei “Live for the Kill”, das ganze Arrangement bei “Where Is Your God?”) geworden zu sein, nachdem das mit den epischen Tracks ja mittlerweile ausgereizt ist. Unheimlich starke Scheibe.

  3. Wenn’s ganz ganz übel (im Sinne von schnell und brutal) sein soll, dann kann ich dir “Antithesis” von der Techdeath-Kapelle Origin empfehlen. Ist auf Relapse erschienen.

    Ansonsten, das Metalcore-Album des Jahres, obwohl es erst im Januar’09 erscheint, ist Architects’ “Hollow Crown”. Erscheint auf Century Media.

    Btw. Genghis Tron – “Board up the House” ist auch mein Metal-Album des Jahres.

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