Placebo – MTV Unplugged (Review)

MTV. Für mich drei extrem wichtige Buchstaben Anfang der Neunziger. Meine persönlichen Highlights: das erste Mal das Video „Out Of Space“ von The Prodigy sehen (die Bilder habe ich nicht mehr im Kopf, irgendein Satellit und Aufnahmen von Planeten, aber der BASS, der BASS!), die Sendungen und Interviews von und mit Ray Cokes, durchgemachte Nächte mit irgendwelchen farbenfrohen Electronic-Videos und zu einer gewissen Zeit auch die Sendung „Headbanger´s Ball“. Und natürlich MTV Unplugged. Unvergessen die Konzerte von Nirvana und Pearl Jam.

Von MTV als erste Adresse für Musikvideos ist nichts mehr übrig, der Glanz der Unplugged Reihe glimmt allerdings noch. In diesem strahlen jetzt auch Placebo. Mit sieben Studioalben, über 12 Millionen verkauften Tonträgern und teils über eineinhalb Jahre währenden Welttourneen, was hätte da noch kommen können? Die Antwort lag für die Band wohl auf der Hand: sich wieder einmal neu erfinden und als Teil dieses Erneuerungsprozesses beim Kultformat MTV Unplugged aufzutreten.

„Wir wollten etwas Einzigartiges auf die Beine stellen, das eine Herausforderung für uns darstellt. Dieser Prozess war sehr interessant, denn man erschafft etwas im gleichen Moment, in dem man es aufführt. Das haben wir noch nie zuvor getan. Diese Gleichzeitigkeit des Aufführens und Erschaffens war für uns ganz neu. Durch MTV Unplugged bot sich uns die Möglichkeit, die akustische und eher experimentelle Seite unserer Musik genauer zu erforschen und einige Stücke zu spielen, die wir so noch nie auf die Bühne gebracht hatten.“

So präsentieren die beiden übrig gebliebenen Gründungsmitglieder  Brian Molko und Stefan Olsdal eine gelungene Auswahl an Klassikern in neuem Gewand. Molko selbst scheint sehr gut gelaunt zu sein und präsentiert sich relativ entspannt und redselig. Allzu weit geht die Experimentierfreude dann allerdings nicht. Klar, hier ist alles akustisch, aber eben auch von einem Streichorchester unterlegt, welches die potentiell intime Atmosphäre doch ein wenig zu oft zukleistert.

Besonders gelungen sind allerdings die beiden Duette mit Majke Voss Romme alias Broken Twin („Every You Every Me“) und Joan As Police Woman („Protect Me From What I Want“). Hier entsteht durch die weiblichen Stimmen ein angenehm warmes Gegengewicht zu Molkos Gesang. Ein weiteres Highlight: “Post Blue” mit  der wohl experimentellsten Stelle des ganzen Konzerts. Ein Kanun spielt die prägende Melodie des Stücks. Und ist zu Anfang ein wenig bockig. “The Qanun is out of tune,” scherzt Molko.

Insgesamt erkenne ich natürlich auch bei diesen reduzierten Arrangements das songwriterische Können der Band und das Charisma von Brian Molko, und an vielen Stellen summe ich leise mit und erinnere mich an die guten, alten Zeiten. In meinem Kopf ergänze ich die Gesangslinien allerdings immer mit den mir bekannten Instrumentalpassagen.

Ich verehre diese Band, ich liebe viele ihrer Songs, ich ziehe meinen Hut vor dieser akustischen Performance; aber ich mag die Stücke in ihrer elektrifizierten Version einfach um einiges mehr.


Kommentare

6 Antworten zu „Placebo – MTV Unplugged (Review)“

  1. Ich kann mich noch gut an meine “Jugendzeit” erinnern. Da lief MTV ständig in meinem TV. Ohne Musik ging gar nichts 🙂
    Heute gibt es ja so viele Möglichkeiten um sich Musikvideos anzuschauen. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich nicht weiß, wann ich MTV das letzte Mal eingeschalten habe. Muss schon eine ganze Weile her sein.

    1. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal, ob wir MTV irgendwo an unserem Fernseher eingespeichert haben 🙂

  2. “ein angenehm warmes Gegengewicht zu Molkos Gesang”

    Ich fürchte, das weinerliche Gejaule kriegt man nur mit einem Nebelhorn angenehm übertönt.

    1. Stimmt, du warst ja glühender Verehrer von Brian Molko. 🙂

      1. Natürlich. Hast du meine Placebo-Rezension gelesen “damals”?

        Bei glühend denk’ ich an Brandeisen und bei Brandeisen tatsächlich an Brian Molko.

        1. Ja, ich erinnere mich dunkel. 🙂

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