Seitenwechsel #9 – Mein Mio

mio

“Die Berliner Band MEIN MIO hat sich im Sommer 2006 gegründet und lieh sich den Namen bei einer Figur von Astrid Lindgren („Mio, mein Mio“). Als “Moderne Großstadtmärchen” bezeichnen Sie ihre Songs, in denen sich eine andere Perspektive auf das banale Alltägliche offenbart. Schlichte Songwriter-Eleganz, Leichtigkeit und gleichzeitig Tiefe in der Musik machen den Charme von MEIN MIO aus.” Viel Spaß bei diesem sehr interessanten Einblick!

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Simon Goldfain (Mein Mio):

Wenn man von Musik leben will, so muss man sich mit vielen Dingen auseinandersetzen, die nur indirekt was mit Musik zu tun haben. Robert von Angelika Express hat es sehr treffend beschrieben: heutzutage ist Musiker auch ein Bürojob. Jeder von uns MIOs verbringt etwa 4-5 Stunden täglich am Computer, und jetzt im Vorfeld der Veröffentlichung unseres Debütalbums wird es sogar mehr.

Was uns alle beschäftigt ist die Frage, wie sich die Platte verkaufen wird. Das Label hat uns zwar eine gute Promo ermöglicht, aber trotzdem glaube ich, dass wir den grössten Teil der CDs bei Konzerten verkaufen werden. D.h. wir müssen live ein Knaller sein, damit die Leute die CD als Andenken mitnehmen. Der Satz “Mach Show!” aus den Anfangstagen der Beatles hat auch im Web2.0-Zeitalter nichts von seiner Gültigkeit eingebüsst.

Apropos Web: Was “illegale Downloads” – oder im Klartext “Musikdiebstahl” – betrifft, sehe ich die Entwicklung in den letzten Jahren insgesamt positiv. Ich habe ein Mini-Digitallabel minipop.de, es hat im Jahr 2008 seinen Umsatz um mehr als 200% gesteigert. Nominal ist es zwar nur ein Taschengeld. Doch tunecore.com, der Digitalvertrieb von minipop, hat letztes Jahr fünf Awards für mehr als 100 000 verkaufte Downloads vergeben. Das Kaufen von Musik wird leichter und bequemer. Neben Apple hat dieses Jahr Amazon einen MP3-Store aufgemacht. Und seit es in Berlin an jeder Supermarktkasse für iTunes-Gutscheine geworben wird, mache ich mir keine Sorgen mehr.

Ein weiterer Schritt in diese Richtung wäre eine mobile MP3-Verkaufseinheit für den Merchandize-Stand. Die Fans könnten dann nach dem Konzert direkt die Platte in ihren iPods nachhause mitnehmen. So würden wir Platz im Bandbus, Verpackung, Benzin, C02 und ne Menge Geld einander Sparen. Aber das ist ja noch Zukunftsmusik.

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Infos zu Mein Mio:

MySpace-Seite der Band
Blog der Band
Last.fm

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Was soll das hier? Wir sitzen auf der einen Seite. Wir hören Musik umsonst, bei Streaming-Anbietern wie last.fm, Spotify, roccatune. Wir kaufen die ein oder andere Platte oder bezahlen für einen Download. Wir gehen auf Konzerte, kaufen Merchandise-Artikel und bezeichnen uns als Fans. Wir lesen Blogs, wir kennen die Hype Maschine und diverse Onlinemagazine. Und, wenn wir ehrlich sind, dann laden wir auch das eine oder ander Musikstück illegal herunter. Das ist unsere Seite.

Und auf der anderen Seite sitzen die Musiker. Denn die Musikindustrie ist genau genommen nur der Vermittler. Sicherlich ein wichtiger Vermittler, der eine Menge falscher Entscheidungen getroffen hat und trifft, und den man mitunter auch verachten kann. Aber auf der anderen Seite sitzt meines Erachtens der Künstler. Und dessen Meinung zur aktuellen Lage der Industrie geht in meinen Augen sehr oft einfach unter. Dabei wäre es doch gerade interessant zu erfahren, wie Musiker heutzutage leben, womit sie ihr Geld verdienen, wieviel Herzblut mit jedem nicht verkauften Album verloren geht, wie anstrengend das dauernde Touren ist, woher das Durchhaltevermögen kommt, warum man sich das überhaupt antut.

Und aus diesem Grund möchte ich die Musiker fragen. Ich bitte ausgesuchte Künstler, auf meinem Blog ihre Meinung kundzutun. Ihre Meinung zu Fans, zu illegalen Downloads, zu ihrem Arbeitsumfeld, ihrer Lebenssituation, der Musikindustrie, dem Musikerdasein. Dabei sind sie in Form und Inhalt völlig frei. Ob das nun ein kurzes Statement ist oder ein Kurzroman, ich mache keine Vorgaben.


Kommentare

11 Antworten zu „Seitenwechsel #9 – Mein Mio“

  1. @Sjuzie + @Bruno

    Zum Thema Recording: Also bei MEIN MIO ist es so, dass wir beim Recording die Songs konservieren, die schon in irgendeiner Form vor dem Aufnehmen existierten. Es kann sein, dass sie sich währenddessen verändern. Ich persönlich brauche relativ lange, um mich in einen Song einzufühlen, zu verstehen, was er braucht. Im Studio muss aber alles auf Knopfdruck geschehen, weil es ja Geld kostet. Daher versuche ich nach Möglichkeit, alle kreativen Prozesse vor dem Studio abzuschliessen.

    Ganz anders ist es dann, wenn ich Zuhause an meinem Rechner ohne Zeitdruck an Songs bastele. Da kann ich schon einen Tag für einen Takt opfern:)

  2. habe was vergessen ,liebe Sjuzie recording ist nur der künstlerisch prozess wenn die musik auch dann entsteht,aber das machen oder trauen sich nur sehr wenige leute,die meisten basteln.Gut jetzt kann man sagen das gehört dazu wie bei Madprofessor oder Adrian Sherwood aber in den meisten fällen der heutigen zeit ist dem eben nicht so.sry
    grüsse

  3. hallo,ich denke wer heute noch auf tonträger setzt geht eh in die falsche richtung und musik wurde schon immer illegal kopiert und weiter gegeben.Ich weiß nicht wie viele musikkassetten/tonbänder von freunden für freunde gemacht wurden zu früherer zeit. Das inet sowie die digitaltechnik macht es nur einfacher und schneller.Die idee live mitschnitte direkt nach dem konzert zu verkaufen (super idee)ist neben dem konzert selbst das was auf dauer bleiben wird,da rüttelt keiner mehr dran und wenn das konzert gut war möchten viele leute das gerade erlebte auch gerne mit nach hause nehmen aus der stimmung heraus falls es nicht zu überteuert ist.
    Ich habe übrigens schon restaurants kennengelernt wo es hieß,”zahlen sie was ihnen das essen wert war”.Dies machen aber nur die, die sich ihrer sache sicher sind auf grund hoher qualität.Die meisten kunden zahlen dann auch den vollen preis,es gibt natürlich immer ein paar schnorrer da kann es so gut sein wie will.ergo viele konzerte vor vollem haus spielen und dann merch etc. verkaufen wie in der guten alten zeit.grüsse

  4. “Wird noch eine Weile dauern, bis Leute verstehen, dass sie heute für Musik Geld ausgeben. Und dass auf der anderen Seite nicht mehr die Tonträgerhersteller, sondern meistens Musiker selber sitzen. ”

    Ich hoffe hier stellt sich irgendwann ein Umdenken ein. Man kann den nicht nur hoffen, dass Menschen freiweillig für Musik Geld ausgeben sollen… man kann nur versuchen sie auf andere Art und Weise, auf neue Wege dafür zu interessieren – vielleicht mit ihnen das “Erleben von Musik” auf diversen Wegen teilen. Das Recording ist inzwischen nur ein Mittel zum Zweck (auch wenn das für euch Künstler hart klingt, schließlich ist es der eigentliche künstlerische Prozess) – Geld macht man auf andere Art und Weise. Wenn man es am Ende herunterbricht, ist es ja leider auch “Business”, schließlich will man ja davon leben. Aber das ist wohl das ewige leidige Thema: Kommerz vs. Kunst!

  5. @Sjuzie

    merci!

    @Micha

    Hey Mich,

    es freut mich, das jemand überhaupt hier antwortet und sich mit dem Thema auseinander setzt. Tut gut, mir dir zu diskutieren!

    Hm, leide ist mir die Rechtslage nicht egal: muss ja schliesslich davon (über)leben, was sich in ihrem Rahmen verdienen lässt. MEIN MIO ist noch zu jung dafür, aber vor kurzen habe ich die beiden Album eines anderen Projekts von mir auf einem russischen Torren-Tracker gefunden:

    http://torrents.ru/forum/viewtopic.php?t=1230707

    Da fühlt man sich bestohlen.

    Seit Grammophon haben Leute mit Musik bespielte Tonträger gekauft. Es war die einzige Möglichkeit, Musik zu konservieren. Heute hat Musik sich in ihrem Verbreitungsweg vom Tonträger befreit. Wenn du von MP3 als am “wenigsten wertigsten Form von Musik” sprichst, meinst du eigentlich das Fehlen des Tonträgers. Genaue deswegen kostet die MP3 weniger, weil sie keine Pressung, Verpackung, Transport und Lagerfläche braucht. Aber das heisst nicht, dass sie weniger Wert hat – die Musik ist die gleiche.

    Wird noch eine Weile dauern, bis Leute verstehen, dass sie heute für Musik Geld ausgeben. Und dass auf der anderen Seite nicht mehr die Tonträgerhersteller, sondern meistens Musiker selber sitzen.

  6. @Simon Goldfain (MEIN MIO)

    Hey Simon,
    erstmal danke für deine Antwort.

    Ich denke die aktuelle Rechtslage ist uns beiden ziemlich egal… ich darf das Album X nicht herunter laden könnte es aber (soweit ich Informiert bin) völlig legal, mit einem Software Recorder, von einem WebStream, so der vorhanden ist, mitschneiden. Also darf man als Band keinen Stream mehr anbieten weil das einer kostenlosen Veröffentlichung gleich kommt? (selbst wenn die Datenrate vielleicht nicht 320 ist) – Das Rechtssystem, wie es existiert, funktioniert nicht, ich denke darüber müssen wir nicht diskutieren.

    Viel interessanter ist doch die Frage wann du dich bestohlen (und ich mich als Dieb) fühlst.

    
Der vergleich mit dem Restaurant hinkt. Im Restaurant bin ich Quasi in der Band, kann mich beklagen und habe eine hohe Wahrscheinlichkeit gehört zu werden. Wenn es an die Musik Realität geht schwindet dieses Risiko schnell, je größer Band/Label sind desto unwahrscheinlicher ist es das meine Meinung von Interesse ist.
    Außerdem ist ein Restaurantbesuch Luxus, ich muss nicht aufs essen verzichten wenn ich mir diesen Luxus nicht leisten kann oder will. Ich würde des ehr mit CDs, Platten oder Konzertbesuchen vergleichen, darum werden die auch immer teurer während du MP3 Alben für drei bis zehn euro… oder ebend illegal, umsonst, immer und überall bekommen kann. Das ist natürlich tierisch unfair weil von Seiten der Band der größte und wichtigste aufwand geliefert wird, aber das ist die Situation wie sie sich darstellt… aber die MP3 ist die am wenigsten wertigste form von Musik, und sie macht keinen unterschied zwischen legalen und illegalen Versionen.

    Bevor hier ein falscher Eindruck entsteht, ich besitze im Verhältnis zu den anderen Menschen die ich kenne sehr viele Original CDs, LPs, gekaufte MP3s usw. …viele Hundert Alben… und liebe Konzerte. Ich gebe gerne Geld für gute Arbeit aus, auch wenn ich mir bei weitem nicht alles leisten kann was ich gerne bezahlen würde… bin ich mit Sicherheit ein weniger schwarzes Schaaf. (Was dir sicher egal ist wenn ich dein Album höre, aber nicht bezahle.)

    Wenn du eure Alben auf USB Sticks verkaufen willst dann mach das doch einfach. Eine Ankündigung auf der Homepage und nen Laptop am Fanartiktelstand und das lüpt… dazu noch nen Beutel mit USB Sticks um die MP3s auch so an den Fan bringen zu können…

    Individuell bedruckte USB Sticks als Massenware gibts z.b. hier.
    http://www.usb4business.de
    http://www.werbezeichen.de/themes/kategorie/?kategorieid=114&gclid=CPjxwpLEnJwCFVATzAodsRt9hQ

    Aber ich glaube selbst machen ist auch realisierbar. (an meiner Uni haben sie neulich welche fürs Bauhaus Label aus Beton gegossen, das war allerdings nur durch Förderung der Uni möglich)

    lg
    Micha

  7. Die “Toten Hosen” und “BAP” haben es auch schon vorgemacht (http://www.gulli.com/news/die-toten-hosen-bap-2008-11-23/) und bestimmt noch viele Weitere!

    Viel Glück euch noch mit eurem Debutalbum! Finde euch live wirklich sehr erfrischend – weiter so!!!

  8. @juliaL49:

    Mein Bandkollege Daniel hat mir gestern erzählt, dass Peter Maffay auf der diesjährigen Tour den Concert Stick eingesetzt hat: Den MP3-Mittschnitt des jeweiligen Konzerts konnte das Publikum direkt nach dem Konzert auf einem USB-Stick am Merchstand kaufen.

    http://www.milimaca.de/2009/01/31/peter-maffay-tour-2009-als-mp3-auf-concert-stick/

    Bin zwar kein grosser Fan von ihm aber, hey, Respekt!
    Die nächste logische Entwicklung ist natürlich Videomitschnitt statt nur MP3.

  9. @Micha:

    Sagen wir mal, du hast ein Restaurant. Ich gehe hin, bestelle eine üppige Mahlzeit, zahle aber nur wenn es mir wirklich schmeckt. Unvorstellbar, nicht?

    Ich finde, die Argumentation mit dem “Fehlkaufrisiko” stamm noch aus der Prä-Myspace-Zeit. Dort kannst du fast das komplette Album von uns anhören. Kostet weniger Zeit, als bei einem Torrent zu runterladen. Bei Bands in unserer Grösse wird es sowieso schwer, dort was zu finden 😉

    Die momentane Rechtslage ist so: Man macht sich strafbar, sobald man geschütztes Material illegal aus dem Netzt zieht. Natürlich widerspricht das dem Tauschprinzip des Netzes. Leider hat die Menschheit noch keine plausible Möglichkeit gefunden, einerseits das Tauschprinzip zu zelebrieren und andererseits Kreativität zu entlohnen. Ich hoffe aber, wir sind auf dem Weg dorthin…

  10. Na, das Fass mit der falschen Bezeichnung “Diebstahl” für “Kopie” mache ich jetzt nicht auf, denn ich finde die Idee eines mobilen Downloadshops super. Muss ja nicht gleich ein iPod sein, denn ein stinknormaler USB-Stick tut es auch (wobei die meisten kleinen MP3-Player USB-Sticks mit Zusatzfunktionen sind).
    In diesem Sinne hoffe ich also auch, dass das in nächster Zeit umgesetzt wird 🙂

  11. Hey Hey,

    ich kenne euch/die Band nicht aber ich wollte dennoch mal Nachfragen wo in euren Augen heutzutage der “Musikdiebstahl” beginnt.
    Findet ihr es z.b. OK wenn ich mir euer Album per see Illegal herunter lade und danach entscheide ob ich es mir kaufe oder nicht, je nach dem wie es mir gefällt, oder ist ein fehlkaufrisiko auch Heute noch etwas mit dem der Kunde eurer Meinung nach leben muss – auch wenn er z.b. bei MP3s keine Möglichkeit eines Weiterverkaufs mehr hat?

    Sicher ist das piemaldaum schwer zu beantworten, einige Bands oder Seiten Streamen legal ganze Alben vor der Veröffentlichung. Das ist natürlich noch mal ein anderer schnack als komplett oder teilweise die Katze im Sack vorgesetzt zu bekommen.

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