Musikindustrie: China als Vorbild?

chinaDie Musikindustrie jault, verklagt, erholt sich, verklagt, jault wieder und verklagt weiter. Sie entläßt Mitarbeiter und Künstler, konzentriert sich auf den nationalen Markt, zumindest in Deutschland, und feiert Achtungserfolge. In den USA sucht man die Nähe der Regierung und läßt durch diese den sogenannten Hochburgen der Piraterie die Pistole auf die Brust setzen. Plattenfirmen gehen an die Börse und kassieren unglaublich viel Geld, aber investieren es nicht in das laufende Geschäft. Im Downloadgeschäft läßt sie sich von einem Computerhersteller (Apple) und einer ehemaligen illegalen Tauschbörse (Napster) zeigen, wie man Musik digital vertreibt. Und sie verklagt Tote, Rentner und Kinder. Doch nicht genug: die Provider sollen entgegen bestehenden Datenschutzgesetzen die Adressen ihrer Kunden heraus rücken.

Was ist los? Sind das die letzten Zuckungen einer sterbenden Industrie? Wie sieht die Zukunft aus? Werden Musiker überhaupt noch etwas an Musikverkäufen verdienen? Oder wird die Musik nur noch Marketingzwecken dienen?

Kevin Maney, USA Today, betrachtet in seinem Artikel „If pirating grows, it may not be the end of music world“ den chinesischen Markt. Dort hat legal verkaufte Musik nur einen Anteil von 5% am Gesamtumsatz. Die anderen 95% sind Raubkopien. Diese Raubkopien werden in ganz normalen Geschäften verkauft. Die chinesischen Musiker verdienen quasi nichts an verkauften CDs. Sie verdienen ihr Geld durch Konzerte, Werbeverträge und Promotion. Maney spricht vom Geist, der aus der Flasche ist.

In the USA, free downloads of copyrighted music are driving the recording industry to sue teenagers and holler about the morality of obtaining songs for free. But if China is the future, that’s all in vain. The genie is out of the bottle. Eventually, recorded music will no longer make money.

Wenn Musik so billig wird oder gar umsonst zu bekommen ist, ist das natürlich gut für mich als Konsumenten und schlecht für die Musikindustrie. Aber was ist mit den Musikern? Werden sie aufhören, Musik zu machen? Maney berichtet von Roger McGuinn von den Byrds. Er verdiente nur 0,0007 US-Cent an jeder der frühen Byrds-Platten. Für seine Solo-LP, „Back from Rio“, die sich mit 500.000 Kopien nicht schlecht verkaufte, hat er nie einen Cent bekommen. McGuin hat daraus gelernt und veröffentlicht Songs auf seiner Webseite zum freien Download und verkauft dort seine CDs oder auf Konzerten.
Ein interessanter Fall auch in Janko Röttgers Buch „Mix, Burn & R.I.P – Das Ende der Musikindustrie“ (zum kostenlosen PDF):

Nachdem die Band (Incubus) rund sieben Millionen Platten weltweit verkauft hatte, wollte sie ihren Vertrag nachverhandeln. Ihre Plattenfirma Sony Music weigerte sich und erklärte, Incubus schulde ihr noch 250.000 Dollar. Incubus-CDs und -DVDs waren damit Teil jener 95 Prozent Ausschussware, die ihre Kosten nicht einspielen – zumindest nicht für die Band. Sony Music hat nach Schätzungen der LA Times rund 35 Millionen Dollar an Incubus verdient.

chinaYu Quan, ein populäres chinesisches Rockduo, verdient Geld durch Sponsoring, z.b. Kleidung und Shampoo. Richtig reich werden sie dabei nicht. Aber warum sollten sie auch? Nur wenige Pop- & Rockstars haben es zu unermeßlichen Reichtum gebracht. Diese gehören zu den 5%, mit denen die Musikindustrie richtig Geld verdient. Der Großteil der westlichen Musiker verdient durch CD-Verkäufe nicht genug zum Leben. Sie geben Konzerte und bekommen Geld durch Tantiemen. Für diese könnte ein Umdenken der Musikindustrie hin zu neuen und innovativen Verdienstmöglichkeiten von Vorteil sein.

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