Ein anderer Blickwinkel

Unter der Überschrift “Der Feind des Bösen ist nicht immer das Gute (altes chinesisches Sprichwort)” schreibt auch Johannes von antifreeze zum aktuellen Thema russischer Downloadanbieter.

Ich habe fast schon das Gefühl, dass sich einige Leute freuen, wenn IFPI, GEMA, BMG und Co sich einen ihrer vielen Fehltritte erlauben. Denn denn kann man sich endlich mal wieder so richtig doll aufregen und kübelweise Sarkasmus verschütten.

Auch ich habe es mir nicht nehmen lassen, eine sarkastische fiktive Geschichte zu verfassen. Und ich bin von ihrer Existenzberechtigung nach wie vor überzeugt. Aber es gibt wie immer auch eine andere Sicht der Dinge. Und die ist im Fall von Johannes, Betreiber eines kleinen Plattenlabels, wirklich sehr interessant und unbedingt lesenwert.

Ich hab kein Problem damit, wenn einer seiner Freundin eine unserer CDs kopiert, ich finde es OK, wenn sich jemand eine Platte von uns bei Soulseek zieht, weil er Gutes darüber gehört hat und die Band mal auschecken will.Ich weiss, dass nicht jedes illegal heruntergeladene Album ein Verkauf weniger ist und ich hoffe immer, dass die Leute, wenn sie denn unsere Musik mögen, auch irgendwann unsere Tonträger oder Dateien legal kaufen und damit dazu beitragen, dass es uns auch weiterhin möglich ist, gute Musik zu veröffentlichen.

Auch ich möchte diesen russische Anbieter nicht unterstützen und rate von einer Nutzung ab. Es geht mir aber um die Vorgehensweise der IFPI. Seit dem Gerichtsurteil in den USA dreht die Industrie irgendwie am Rad und denkt, sie hat jetzt freie Schußbahn. Sei es die GEMA und ihre absurden Forderungen gegenüber den Providern oder eben die IFPI, die per einstwilliger Verfügung deutschen Usern die Verlinkung auf bestimmte Seiten verbieten will. Nur weil man selber keine Konzepte und Lösungen parat hat, kann man nicht wie ein tollwütiger Hund in jede Richtung schnappen und hoffen, hier und da mal ein Hosenbein zu erwischen.


Kommentare

6 Antworten zu „Ein anderer Blickwinkel“

  1. Wird jetzt jeder gesteinigt, der die Silben ohl-off-empee-drei-komm ausspricht oder gar niederschreibt?
    Und was spricht eigentlich moralisch gesehen dagegen, deren technische Dienstleistung zu bezahlen?
    Wenn wir mal die nach wie vor noch zu klärende Problematik der Legalität für den User ausblenden, muss man doch klar sagen: Ohne Tauschbörsen hätte die Musikmafia die Preise doch längst auf 25 oder 30 Euro pro CD hochgedrückt, und genauso sind auch ausländische MP3-Anbieter ein Korrektiv, indem sie zeigen, was eigentlich möglich wäre. In anderen Branchen gibt es Konkurrenz, die das Geschäft belebt. Die Musikkonzerne sind durch das Monopol, das ihnen das Urheberrecht für ihre jeweiligen Produkte sichert, doch völlig degeneriert. Ohne Druck von außen bewegt sich da gar nichts.

    Davon abgesehen: Jeder Nutzer der Russendienste wäre doch jederzeit bereit, auch den doppelten oder dreifachen (nein, nicht zehnfachen) Preis zu zahlen, wenn die Sache dafür in jeder Hinsicht sauber wäre. Emusic.com beweist im übrigen, dass das auch keineswegs unrealistisch ist. Nur unsere Plattenbosse träumen immer noch davon, so lange alles und jeden zu verklagen, bis sie für ein Album mit ein, zwei guten Stücken und ein bisschen Füllmaterial endlich doch noch die 50-DM-Grenze knacken, wie ein Plattenboss ja mal vor einigen Jahren rotzfrech zugegeben hat.

  2. Naja, einige Dienste arbeiten ja schon mit 192 kBit/s. Wünschenswert wären 256 kBits/s, da könnte keiner mehr meckern.

    Aber es gibt auch andere Dinge, die mir persönlich wichtig sind: Browser-Kompatibilität, keine Zwangsinstallation von welcher Software auch immer und interaktive Elemente… So oder so: ein nicht namentlich genannter Musikdienst im Osten Europas erfüllt viele dieser Voraussetzungen…

  3. Die Möglichkeiten der wählbaren Kompressionsraten ist großartig und auch für die hiesigen Downloadshops mehr als wünschenswert. 128 kbps Mp3s klingen einfach scheiße, dafür gebe ich auch nur ungern 1 Euro aus. Zumal die Stücke in P2P Netzwerken meist viel besser encodiert sind und ein echter Tonträger oft gar nicht viel mehr kostet.

  4. Ich sehe das ähnlich wie nicorola. Technisch gesehen ist der Dienst “der Hammer”. Ein Online-Encodiersystem ist in Deutschland leider (noch) nicht machbar. Aus meiner Sicht ist der Dienst der kundenfreundlichste, den es derzeit weltweit gibt.

    Der Preis ist natürlich “unter Wert”, wenn man unsere Preise heranzieht. Trotzdem können sich längst nicht alle Russen einen Kauf dort leisten bei 100 Euro Monatseinkommen.

    Letztlich ist es ähnlich dem Tanktourismus: Bei 5 Mio. Arbeitslosen und der fortschreitenden Globalisierung schauen auch wir Deutschen ins Ausland. Und wenn man billig Benzin bekommt, dann fährt man mal schnell über die Grenze. Oder klickt beim Musikkauf eben einen Klick weiter…

  5. Avatar von nicorola
    nicorola

    Du hast völlig recht. Wenn ich mir meine Einträge durchlese, kann man diesen Eindruck auch gewinnen. Aber ich wollte keine Sympathien schüren, sondern nur zeigen, worum es geht und was diesen russischen Anbieter auszeichnet.
    Und unabhängig von Lizenzen oder Rechtmäßigkeit finde ich die Art, in der dort Musik verkauft nach wie vor beachtenswert. Dort hat der Kunde wirklich mehrere Möglichkeiten, sich sein Format und die Qualität zu wählen…ohne Beschränkungen der Rechte. Das ist vorbildlich.
    Nicht vorbildlich sind allerdings die Preise, denn dort wird die Musik wirklich unter Wert verramscht. Und wer ernsthaft glaubt, Musikern wäre dadurch geholfen, das man für die Musik in Russland bezahlt hat, der sollte wirklich zu P2P-Tauschbörsen greifen. Denn dort bekommen die Künstler auch nichts, aber man zahlt wenigstens selber keinen Cent. Lieber 10 Alben aus Tauschbörsen ziehen und davon eine bei Gefallen kaufen.

  6. ich hab ja nichts gegen sarkasmus oder ironie. ich mach ja selbst oft genug davon gebrauch 😉

    ich hatte nur bei einigen artikeln oder viel mehr noch in den kommentaren zu dem thema den eindruck, dass hier das fragliche downloadportal mit sympathien bedacht wird, die es meiner meinung nach überhaupt nicht verdient.