Seitenwechsel #5 – Herrenmagazin

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Deniz Jaspersen ist Frontmann der Hamburger Formation Herrenmagazin. Deren Debüt erschien im letzten Jahr und nennt sich “Atzelgift” (Rezension hier). Deniz schildert seine Meinung zu illegalen Downloads, den Vor- und Nachteilen von MP3s und dem Wertverlust von Musik. Viel Spaß bei diesem sehr interessanten Einblick!

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Deniz (Herrenmagazin):

Illegale Downloads

Dass alles auf der Welt zwei Seiten hat, hat vermutlich jeder schon mal gehört. Wenn dir deine Eltern das noch nicht gesagt haben, dann war es mit Sicherheit eine Lehrerin oder irgendwer anders, der dir diese schlichte Weisheit auf den Weg gegeben hat. So ist es auch bei dem leidigen Thema „illegale Downloads”. Obwohl, für den von mir sehr geschätzten Freund Tobi ist das die Sache ganz einfach. Ich darf ihn sogar zitieren: „Is doch allet scheiße!” Vielleicht hat er recht, jedoch kann es so einfach doch nicht sein. Zumindest finde ich das nicht, denn die Vorteile sind kaum von der Hand zu weisen:

Vor ein paar Tagen fuhr ich mit meinem (auch sehr geschätzten) Freund Daniel nach Berlin und musste wütend feststellen, dass er die „Sylt“ von „Kettcar“ noch nicht kennt. Er hat es aber auch nicht für nötig befunden, mich darauf hinzuweisen bevor wir losgefahren sind, sodass ich sie hätte mitnehmen können. Glücklicherweise habe ich sie aber auch auf meinem Computer und wir freuten uns darüber sie brennen zu können, um sie auf dem Rückweg zu hören. Hier wiederum darf ich Daniel zitieren: „Geil das mit den Mp3´s.“

Mp3´s sind eine unkomplizierte und bequeme Möglichkeit seine Musik unters Volk zu bringen. Im günstigsten Fall ist es dann so, das viele Leute eine Platte oder einen Song auf welchem Weg auch immer zugespielt bekommen, super finden, Konzert besuchen, ggf. noch ein T Shirt kaufen und noch einen Sticker mitnehmen, den sie dann irgendwo verkleben. Dadurch wird die Band bekannter und alle sind zufrieden. Und das alles nur wegen illegaler Downloads.

Klingt einfach, einleuchtend und kann funktionieren. Funktioniert auch. Zumindest kurzfristig. Dennoch sind Mp3´s nicht die Heilsbringer für Bands. Auch wenn sie helfen eine Band bekannter zu machen, verkomplizieren sie die Dinge am Ende doch ungemein. Es gibt für Musiker natürlich noch andere Einnahmequellen neben den Platten: Merchandise z.B. oder Gagen. Es ist allerdings aber auch sehr teuer, Merchandise zu produzieren, und bis eine Band so bekannt ist, das sie so hohe Gagen aufrufen kann und soviel Merchandise verkauft das sie davon leben könnte, geht in der Regel viel Zeit ins Land. Zeit, in der man kein Geld verdient um Equipment zu kaufen, den Proberaum zu bezahlen, Merchandise zu produzieren, Studio und Produzent zu mieten usw. Abgesehen davon muss man auch noch selbst von irgendetwas leben. Da Musik, zumindest wenn es einigermaßen läuft, aber extrem viel Zeit in Anspruch nimmt, kann man schlecht einen Fulltime Job nebenbei haben. Man benötigt also starke Nerven, eine Menge Leidensfähigkeit und im günstigsten Fall noch reiche Eltern.

Was auch nervt an Mp3´s, ist die Tatsache, das die Beziehung, die man zu einer Platte oder einem Song hat, nicht mehr dieselbe ist. Wenn man eine externe Festplatte mit 2 oder mehr GB Mp3´s hat, bleibt zwangsläufig die Originalität auf der Strecke. Das Lied wird angeklickt und ist sofort abrufbar, beliebig löschbar, leicht zu brennen, auf einen Stick zu packen und zu transportieren. Die Beziehung zur Musik bleibt auf der Strecke. Das Gesamtkunstwerk einer Platte ist nicht mehr sichtbar. So verkommt die Musik, in die man soviel Arbeit investiert hat, zu einer schlichten Datei inmitten von vielen und das Album verliert zwangsläufig an Wert. Und jeder weiß doch: „Was nichts kostet ist auch nichts wert.“ Das sagt man zumindest so. Bei Musik ist das nicht anders, und so behandelt der Hörer dann auch seine Musik. Dabei weiss doch aber jeder um den Wert von Musik, aber trotzdem gibt es immer noch Leute, die für Musik kein Geld übrig haben möchten, weil sie zu teuer ist. Dieser Standpunkt ist auch verständlich wenn man bedenkt, dass man die Musik ja auch umsonst haben könnte. Unter diesem Gesichtspunkt ist jede CD zu teuer. Es sind am Ende, glaube ich, nicht die Mp3´s die das Problem darstellen, sondern eher die Einstellung der Leute dazu.

Dass die meisten Leute keinen wirklichen Bezug mehr dazu haben, was sie da eigentlich tun, zeigt sich sehr gut in der Geschichte, die einem befreundeter Musiker auf Tour widerfahren ist. Er hat auf seiner Platte einen Bonustrack versteckt, den man nach dem letzten regulären Lied nach ca. 15 Minuten hören kann. Auf einem Konzert beklagte sich ein Fan darüber, denn als er die Platte herunter geladen hat, dauerte dieser letzte Song ungleich länger. Das ist ungefähr so, als würde sich ein Einbrecher darüber beklagen, das abgeschlossen war!!

Mal abgesehen davon, das Mp3´s oft auch scheiße klingen. Da macht man sich soviel Mühe, gibt Unmengen von Geld aus und dann hören die Leute deine Platte auch noch in schlechter Qualität und denken dann vermutlich noch, dass die Band Scheiße ist.

Letztlich ist es ein Für und Wieder mit den Downloads. Es gibt Vor- aber noch mehr Nachteile. Meine Band profitiert zwar auch davon, leidet aber auf der anderen Seite genau deswegen, denn es erschwert die Grundvorrausetzungen ungemein. Denn nicht nur Musiker leiden darunter, sondern auch die Labels. Eine Plattenfirma ist wie jede andere Firma auch ein Betrieb, der Umsätze machen muss. Ich habe vorhin schon erwähnt, dass die Produktion einer Platte sehr teuer ist, und genauso verhält es sich auch mit der Verbreitung, also Promotion. Beides sollte im Normalfall das Label übernehmen. Darüber hinaus will der Label-Hans ja auch von irgendwas leben. Genauso wie sein Praktikant und seine Mitarbeiter. Es liegt auf der Hand, das wenn eine Plattenfirma keine Platten verkauft, sie ihren Betrieb nicht am laufen halten kann. Die Plattenfirmen gehen ein. Es ist einfach zu wenig lukrativ Platten herauszubringen. Wenn aber die Labels eingehen und keine Musik mehr rausbringen, können die Leute auch nichts mehr runterladen, weil nichts da ist.

Vielleicht hat Tobi recht: is doch allet scheiße!

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Infos zu Herrenmagazin:

MySpace-Seite der Band
Blog
Last.fm

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Was soll das hier? Wir sitzen auf der einen Seite. Wir hören Musik umsonst, bei Streaming-Anbietern wie last.fm, Spotify, roccatune. Wir kaufen die ein oder andere Platte oder bezahlen für einen Download. Wir gehen auf Konzerte, kaufen Merchandise-Artikel und bezeichnen uns als Fans. Wir lesen Blogs, wir kennen die Hype Maschine und diverse Onlinemagazine. Und, wenn wir ehrlich sind, dann laden wir auch das eine oder ander Musikstück illegal herunter. Das ist unsere Seite.

Und auf der anderen Seite sitzen die Musiker. Denn die Musikindustrie ist genau genommen nur der Vermittler. Sicherlich ein wichtiger Vermittler, der eine Menge falscher Entscheidungen getroffen hat und trifft, und den man mitunter auch verachten kann. Aber auf der anderen Seite sitzt meines Erachtens der Künstler. Und dessen Meinung zur aktuellen Lage der Industrie geht in meinen Augen sehr oft einfach unter. Dabei wäre es doch gerade interessant zu erfahren, wie Musiker heutzutage leben, womit sie ihr Geld verdienen, wieviel Herzblut mit jedem nicht verkauften Album verloren geht, wie anstrengend das dauernde Touren ist, woher das Durchhaltevermögen kommt, warum man sich das überhaupt antut.

Und aus diesem Grund möchte ich die Musiker fragen. Ich bitte ausgesuchte Künstler, auf meinem Blog ihre Meinung kundzutun. Ihre Meinung zu Fans, zu illegalen Downloads, zu ihrem Arbeitsumfeld, ihrer Lebenssituation, der Musikindustrie, dem Musikerdasein. Dabei sind sie in Form und Inhalt völlig frei. Ob das nun ein kurzes Statement ist oder ein Kurzroman, ich mache keine Vorgaben.


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