Interview: Wild Palms

Gestern stieß ich auf das neue Video der Wild Palms aus London. Die Band war mir bis dahin unbekannt, aber der Song “Deep Dive” beeindruckte mich. Also dachte ich mir, ich klopfe mal an die Tür und frage unverbindlich nach einem Interview. Ein paar E-Mails und wenige Stunden später hatte ich die Antworten von Frontmann Lou Hill. So schnell kann das manchmal gehen.

nicorola: Hallo. Danke, dass du dir die Zeit nimmst, mir einige Fragen zu beantworten. Kannst du dich bitte kurz vorstellen?

Lou: Ich bin Lou und ich singe und mache ein paar andere Dinge, spiele ein wenig Keyboard, trete auf ein paar Pedale und mache Loops. Die anderen Mitglieder der Band sind Gareth am Bass, James hinterm Schlagzeug und Darrell an der Gitarre.

nicorola: Wie kamt ihr als Band zusammen und wie ist der Name entstanden?

Lou: James, Gareth und ich sind alle in derselben Gegend in Nord-London aufgewachsen und kannten uns schon seit Jahren. Wir machten bereits seit knapp sechs Jahren zeitweise zusammen Musik, obwohl wir alle in unterschiedlichen Bands spielten. Darrell habe ich an der Universität von Brighton getroffen, wo er Malerei und ich Literatur studierte. Ich denke, er war das fehlende Puzzlestück. Wir wollten in einer Band sein, die nicht Gefahr läuft, auf der Stelle zu treten, die sich entwickelt und eigenständig ist, in der wir uns selber ausprobieren können. Ich denke, das macht unsere gemeinsame Arbeit aus. Wir alle haben in unseren vorherigen Bands den Löwenanteil des Songwritings erledigt, also wollten wir einfach mal sehen, was dabei heraus kommt, wenn wir zusammen ins Studio gehen, ob das mit der Dynamik so funktioniert.
Den Namen Wild Palms haben wir von einem Buch von William Faulkner. Keiner von uns hatte jemals Unterricht für sein Instrument, und das wollten wir im Bandnamen irgendwie ausdrücken. Ohne das richtige Training musst du dich auf deinen Instinkt und deine Naivität verlassen, und ich denke, das ist ein positiver Aspekt, zumindest kreativ gesehen.

nicorola: Für Leute, die noch nie von euch gehört haben: drei Gründe, warum sie es sollten?

Lou: – Wir lieben es, Musik zu machen
– Wir sind gekommen, um zu bleiben und um uns zu entwickeln
– Wir stehen mit beiden Beinen auf dem Boden und wir schreiben unsere Musik nur aus dem Grund, uns selbst auszudrücken und etwas zu transportieren, immer mit dem Wunsch vor Augen, beim Zuhörer etwas auszulösen. Wir möchten die Leute mit unserer Musik berühren.

nicorola: Ihr habt eure erste Single in gerade einmal 40 Minuten geschrieben, und es war der erste Song von euch, der unter der Vier-Minuten-Grenze geblieben ist. Wie lange habt ihr an eurer neuen Single “Deep Dive” gearbeitet und wie war der Songwriting-Prozess?

Songs führen ein Eigenleben, da kannst du nichts diktieren. Lou: “Deep Dive” war der Startpunkt für eine andere Art des Songwriting, welches vor ca. acht Monaten begann. Wir begannen gerade zu realisieren, was die Wild Palms ausmacht, wohin wir mit der Band wollen. Da waren nicht mehr vier Individuen, sondern eine Band, die an etwas Gemeinsamen arbeitet, etwas, das weit über das Schaffen einzelner Musiker hinausgeht. Wir wurden selbstbewußter in Bezug auf uns und die Musik, die wir machen, wir haben die Geschwindigkeit reduziert, Dinge vereinfacht, mehr Luft und Raum gelassen und einfach etwas Wärme hinzugefügt. Bei uns dauert der Songwriting-Prozess pro Song vielleicht etwas länger als bei anderen Bands, da wir nicht einen sondern vier gleichberechtigte Songwriter haben, alle mit dem gleichen Stimmrecht ausgestattet. Jeder von uns ist verdammt stolz auf unsere Songs.

nicorola: Arbeitet ihr eigentlich an einem Album oder denkt ihr gar nicht in solchen Dimensionen?

Lou: Wir haben nie darüber nachgedacht. Niemals. Wir können so nicht schreiben. Das muss ein natürlicher Prozess sein. Songs führen ein Eigenleben, da kannst du nichts diktieren. Wir hatten immer Probleme damit, Songs unter 5 Minuten zu schreiben, aber plötzlich taucht dann aus dem Nichts so ein Dreiminüter auf, einfach weil der Song so ist, wie er ist.

nicorola: Arbeitet ihr jetzt an einem Album oder nicht?

Lou: Wir arbeiten an Songs für ein Album, aber prinzipiell arbeiten wir genauso wie immer. Es ist unmöglich zu sagen, wohin es sich entwickelt, wir haben momentan auch keine konkreten Erwartungen. Wir haben eine Vorstellung von der Athmosphäre, die wir erzeugen wollen, aber wie wir das erreichen….nun, wir lassen es einfach passieren.

nicorola: Wie wichtig ist euch fokussiertes Songwriting, die Reduktion aufs Wesentliche?

Lou: Sehr wichtig. Nach der Tour mit den Warlocks haben wir den Inhalt des folgenden Auspruchs verstanden: “Es geht nicht darum, was du spielst, sondern darum, was du nicht spielst.” Wir haben auf dieser Tour eine Menge gelernt. Wenn du mit der Musik anfängst, dann spielst du hart und schnell, um zu zeigen, was du alles auf dem Kasten hast. Es ist allerdings wesentlich schwerer, mit wenig viel zu erreichen. Das ist aber oft im Sinne des Songs. Das ist der Schlüssel: darauf zu hören, was der Song braucht, und nicht die Befriedigung deines Egos.

nicorola: Gibt es eine Band, die euch inspiriert hat?

Lou: Ich weiß nicht so genau, wir hören alle sehr viel unterschiedliches Zeug, deswegen kann ich nur für mich selbst sprechen. Ich tendiere mal hierhin und mal dorthin, aber im Moment sind das Radiohead (eigentlich immer), Björk (auch immer), Sonic Youth, Sigur Ros, Animal Collective, My Bloody Valentine etc…..

nicorola: Was ist deine Motivation, Musiker zu sein?

Lou: Das Beste und die Hauptmotivation unserer Band ist die gemeinsame Arbeit in unserem Studio. Es gibt einfach nichts Besseres als einen Song bei der Entstehung zu beobachten. Auf Tour zu sein finden wir allerdings hart, da wir nicht im Studio sein können. Wir sind Freunde des Fortschritt, denke ich.

nicorola: Was würdest du ohne die Musik machen?

Lou: Es ist ein wenig komisch, aber ich kann mir ein Leben ohne Musikmachen überhaupt nicht vorstellen. Ich denke, das könnte keiner von uns. Es macht dich süchtig. Aber mal angenommen, ich könnte wirklich keine Musik machen, aus welchen Gründen auch immer… dann würde ich wahrscheinlich schreiben, vielleicht ein Buch. Oder ich würde als Zimmerman arbeiten.

nicorola: Der NME scheint von euch ziemlich beeindruckt. “Bristle with the confrontational diffidence of The Fall, the jumpstart guitars of Gang Of Four and the future-think aesthetic of video director Saam Farahmand”. Ist es wichtig, sich nicht von der Hype-Maschinerie überrollen zu lassen?

Lou: Ich denke, wir sind noch nicht annähernd im Radar der Hype-Maschinerie, oder? Ich vermute, der NME ist sich uns gegenüber noch nicht ganz sicher: verschiedene Redakteure schreiben unterschiedliche Sachen. Wir versuchen verzweifelt sie davon abzubringen, uns mit dem Stempel “Post-Punk” zu versehen, aber ich kann das schon nachvollziehen, vor allem, wenn man sich unsere erste Single “Over Time” anhört. Der Song wurde allerdings vor über einem Jahr geschrieben, und inzwischen haben wir unser Spektrum enorm erweitert und uns entwickelt. Das möchte ich den Leuten mit den nächsten Singles und dem Album gerne zeigen. Das wir das werden, davon bin ich momentan sehr überzeugt. Wir arbeiten zumindest sehr hart daran. Wir halten immer zusammen und haben versucht, einigermaßen in Deckung und auf unserer eigenen kleinen Insel zu bleiben, Hype hin oder her.

nicorola: Apropos Hype Machine: was hälst du von der aktuellen Situation der Musikindustrie? Bietet sie euch mehr Chancen oder habt ihr Angst vor den Piraten?

Lou: Ich weiß es wirklich nicht. Das kann man nicht kontrollieren, und ehrlich gesagt spielen diese Dinge in meinem Leben keine Rolle, sie passieren außerhalb meiner Wahrnehmung. Wir als Band haben da wenig Einfluß, die Musikindustrie ist so wie sie ist, was können wir das schon machen? Eine gute Sache wäre vielleicht, das die Bands, die aus den falschen Gründen dabei sind, ausgesiebt werden. Mit oder ohne Geld: wir werden weiter Musik machen.

nicorola: Was war der denkwürdigste Auftritt bisher und was können wir von euch auf der Bühne erwarten? Kommt ihr irgendwann auch zu uns nach Deutschland?

Lou: Wir haben definitiv Pläne, nach Deutschland zu kommen, euer Land steht auf Platz 1 unserer Liste. Der denkwürdigste Auftritt, wenn auch aus eher surrealen Gründen, war ein Auftritt in Duabi. Wir spielten um Mitternacht bei 40 Grad Hitze vor einem kleinen, völlig unbeeindrucktem Publikum. Es schüttelt mich heute noch.

nicorola: Wenn du einen Song der Musikgeschichte geschrieben haben könntest, welcher würde das sein?

Lou: Entweder “Move On Up” von Curtis Mayfield oder “Hyper Ballad” von Björk. Das kann sich morgen allerdings schon wieder ändern.

nicorola: Ich würde dich bitten, uns ein imaginäres Mixtape zusammen zu stellen, mit einem Titel deiner Wahl.

Lou:
Titel: WILD PALMS on tour (Veronica Volvo)
1) Nathan Fake – Long Sunny
2) Radiohead – Weird Fishes
3) Sigur Ros – Svein g – englar
4) Jeff Buckley – Everybody Here Wants You
5) My Bloody Valentine – U Made Me Realise

nicorola: Vielen Dank für das Interview!

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