Kritik: Grizzly Bear – Shields

Und auf einmal war da diese Werbung. Spätestens da wurde mir klar, das „Veckatimest“ eine Konsensplatte ist. Eine, zu der man gut Latte Macchiato oder auch Rotwein trinken konnte und die man trotzdem nie so laut drehte, als das sie die gepflegte Konversation erinnern wird. Für den eher beiläufigen Hörer mag das abschließende „Ohoh-Ohoh-Ohoh“ von „Two Weeks“ vielleicht das letzte sein, an das er sich von Grizzly Bear erinnern kann. Denn auf „Shields“ unternimmt die Band keinen Versuch, diesen Erfolg zu wiederholen.

Nach einer dreijährigen Pause kamen Daniel Rossen, Ed Droste, Chris Taylor und Chris Bear in einer verlassenen Militärbasis in Texas zusammen, um sich wieder an die Arbeit zu machen. Das dies jedoch ein völlig absurder Ort ist, um ein Album zu produzieren, merkte die Band dann selber und zog sich in eine abgelegene Hütte zurück. Während dieser dreijährigen Auszeit nahmen sich die Bandmitglieder die Zeit, um in unterschiedliche Musik einzutauchen und sich inspirieren zu lassen. Und das merkt man dem Album an.

Die Musik auf „Shields“ ist im ständigen Fluss, perlende Melodien verwandeln sich in Rockmonster, schimmernde Vokal-Harmonien lösen sich mit Bläsern oder Synthies ab. Im Gegensatz zu „Veckatimest“ wirkt diese Platte weitaus zerfranster, schlingernder und bei den ersten Durchgängen auch sperriger. So war das anfängliche Hören für mich auch ein wenig enttäuschend, denn um ehrlich zu sein: ich hatte mit einem „Veckatimest Part 2“ gerechnet. Und ich wurde enttäuscht.

Aber nach dem dritten oder vierten Durchgang wich die Enttäuschung einer interessierten Neugier und wandelte sich später in Begeisterung. Denn gerade dieses sich windende und immer wieder forschende Songwriting, die kleinen Änderungen an der Herangehensweise machen die Songs großartig. „A Simple Answer“ zum Beispiel: ein typischer Grizzly Bear Song, der so auch auf dem Vorgänger seinen Platz gefunden hätte. Dort hätte er aber mit ziemlicher Sicherheit bei dreineinhalb Minuten einfach aufgehört und einen tollen Song abgegeben. Auf „Shields“ aber biegt der Song von der gradlinigen Autobahn ab und fährt über Landstrassen ins Ungewisse. Die abschliessenden zwei Minuten transportieren eine völlig andere Stimmung als der Anfang des Songs.

Oder mein persönlicher Favorit „Gun-Shy“: ein sanfter, perlender kleiner Song, der vor lauter Harmoniebdürftigkeit fast schon zu gefällig wirkt, bevor die Instrumente beim Refrain dann in den Keller verbannt werden und Ed Droste im oberen Stockwerk einen wundervollen Refrain trällert.

„Shields“ funktioniert gerade aufgrund der hinzugewonnen Komplexität. Mit akustischen Gitarren, Glockenspiel, Synthies, Hörnern und Klavier erforschen die vier Musiker sowohl vertrautes Terrain als auch das große Unbekannte. Die Band nimmt den Hörer dabei aber nicht an die Hand, sondern lässt ihn diese wunderbare Welt selbst erkunden. Und macht sie dadurch zu einem einzigartigen Erlebnis.

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