Dass ich in über 20 Jahren einmal mit einem Telefon dasitzen würde, welches nicht mit Buchse in der Wand verbunden ist, sondern an das ich meine Kopfhörer angeschlossen habe, um Musik zu hören, konnte ich mir 1991 definitiv nicht vorstellen. Aber wie war das eigentlich damals? Wie habe ich Musik gehört, gefunden, gekauft? Und wie hat sich das im Laufe der Zeit geändert?
1991
Das neue Album meiner Lieblinge erscheint nächste Woche. So steht es zumindest in der Musikzeitschrift. Die Wartezeit ist endlich vorüber. Cool. Und Taschengeld habe ich diesen Monat auch noch übrig. Jetzt die bohrende Frage: wo soll ich mir die CD besorgen? Im Nachbarort bei Mike, der zwar nichts da hat, aber alles bestellen kann? Oder lieber gleich in die nahe gelegene Großstadt? Ich entscheide mich für die zweite Variante.
Am darauf folgenden Samstag gehe ich zum Bahnhof, kaufe eine Hin- und Rückfahrkarte für ungefähr 13,- DM und fahre in die Stadt. Dort angekommen, laufe ich ca. 20 Minuten zu Fuß zum Plattenladen. Jetzt nur noch hoffen, das die eine CD, die ich haben möchte, auch da ist. Glück gehabt. Der Preis ist egal; gekauft. Wäre sie nicht dagewesen, hätte ich die 13,- DM zum Fenster rausgeschmissen. Das gehört zum Spiel. Den ganzen Weg züruck zum Bahnhof und dann nach Hause. Kurz Kaffee trinken und Kuchen essen, dann ab mit der Neuerwerbung unter die Kopfhörer. Ich bin glücklich.
1999
Ich wohne in einer Wohngemeinschaft in Kreuzberg. Der Plattenspieler (ein DJ-Nachbau) ist noch aufgebaut, dazu die wirr zusammengestellte Anlage, deren Röhren-Receiver ungefähr zwei Tonnen wiegt. Ab und zu höre ich zwar Vinyl, aber eher aus meiner Sammlung. Denn neue Platten kaufe ich nur selten. Die audiophile Hochphase mit 2 Plattenspielern und diversen anderen HiFi-Komponenten in einer Holzkonstruktion, die einer Star Trek-Kommandobrücke ähnelte, ist vorbei.
Auch das Erstellen von Mixtapes wird immer uninteressanter. Dafür habe ich mehr gebrannte CDs. Der Wahnsinn. Ich habe zwar kaum Geld für neue Alben, aber das brauche ich auch nicht. Neue Musik wird auf Rohlinge gebrannt. Wenn sich aus dem Freundeskreis jemand eine neue CD gönnt, dann haben die kurz darauf alle. Von dem so gesparten Geld kauft man sich natürlich einen CD-Brenner. Die sind ziemlich teuer, und brennen mit 4facher-Geschwindigkeit. Der Computer wird wichtig für die Vervielfältigung der Musik. Ein Freund erzählt was von komprimierter Musik, wo die unwichtigen Daten aus einem Song entfernt werden. So ist er dann auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Größe reduziert. MP3 heißt das Dateiformat. Klingt interessant. Und er ist ganz begeistert von Napster. Da kann man dann die MP3s mit anderen Nutzern übers Internet tauschen, weltweit. Da findet man alles. Keine Ahnung, wovon der redet. Klingt aber irgendwie spannend.
2007
Ich bin fast den ganzen Tag online. Auf der Arbeit und abends zuhause. Musik? Ja sicher. Auf meinem iPod und auf der Festplatte meines Laptops. Alles was ich hören möchte. Die Anlage habe ich schon lange abgebaut. Ich benutze nur noch Boxen mit iPod-Dock oder mein Notebook. Neue Musik finde ich inzwischen im Netz. Blogs, Online-Communities und -magazine sind erstklassige Quellen, welche neben schnödem Text auch Hörbeispiele bieten. Hier reingehört, klick, dort reingehört. So entdecke ich an einem Abend mehr neue Musik als 1991 in einem ganzen Monat.
Natürlich kaufe ich Musik auch noch. Am liebsten MP3s ohne jedwede Beschränkung. Aber ich werde ganz schön hibbelig, wenn das langersehnte Album nicht schon am Veröffentlichungstag online verfügbar ist. Da könnte ich aus der Haut fahren. Auch CDs gönne ich mir ab und zu. Aber eher als Luxusartikel. Mich stört nur, dass diese nach der Konvertierung auf die Festplatte nur noch rumliegen. Vielleicht verabschiede ich mich bald vom physischen Tonträger. Musik ist immer und überall verfügbar. Auf MP3-Playern, Festplatten, dem Mobiltelefon, im Internet. Wahnsinn.
Heute
Musik findet für mich fast ausschließlich über die Kopfhörer und über die Lautsprecher meines Autos statt. Das Zentrum meines Musikkonsums: mein Smartphone. Ich kann durch die vielen Bemusterungen und meine Käufe auf einen großen Schatz an MP3s zurückgreifen. Die CDs verstauben im Regal, die wenigen übrig gebliebenen Vinyl-Schallplatten im Keller. Weiterhin habe ich immer mal wieder eine Streaming-App auf meinem Telefon. Aktuell ist es wieder Spotify, davor war es Google Music (All Access bla bla bla). Welcher Anbieter ist mir eigentlich egal, ich finde dort eh nicht alles und sehe es nur als Ergänzung. Google Music dient mir als Backup, alle in iTunes importierten Songs landen auf deren Servern. Die 20.000 Songs, die ich dort hochladen darf, habe ich noch lange nicht voll.
Musik entdecke ich immer noch über Blogs, vor allem aber über Tumblr. Auch Soundcloud ist eine von mir geliebte Anlaufstelle. Spotify ist auch nicht zu verachten, wobei ich dort eher weniger entdecke sondern eher nachhöre, was ich woanders gelesen habe. Richtig über Musik lesen? Mache ich immer weniger. Ich höre sie mir lieber unvoreingenommen an.
Und ihr?
Wie schaut es bei euch aus? Wie hört ihr Musik? Nutzt ihr Spotify? Oder legt ihr euch noch ganz klassisch Vinyl auf den Plattenteller und genießt das Knistern? Entdeckt ihr neue Musik noch durch das Lesen von Artikeln in Musikzeitschriften oder verlasst ihr euch auf eure Facebook-Freunde? Reicht euch YouTube zum reinhören? Kauft ihr Musik überhaupt noch oder seht ihr das gar nicht mehr ein?
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