Daughter – Not To Disappear (Review)

Fast drei Jahre nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums “If You Leave” kehrt das Londoner Trio Daughter – Elena Tonra (Vocals, Gitarre), Igor Haefeli (Gitarre) und Remi Aguilella (Drums) – mit einem vielschichtigen Album zurück.

Produziert von Haefeli und Nicolas Vernhes (Animal Collective, Deerhunter, The War On Drugs) zeigt „Not To Disappear“ die große Entwicklung der Band. Aufgenommen im Vernhes Studio in Greenpoint im New Yorker Stadtteil Brooklyn, lässt die Band Sounds und Songs verschmelzen.

Die Grundstimmung ist dieselbe. Eisige, mysteriöse Soundflächen bilden das Fundament für die Gesangslinien von Sängerin Elena Tonra. Allerdings wird schon nach zwei Minuten klar, dass hier mehr passiert als auf dem Debüt. Mehr Texturen, epischere Momente und größere Gefühle. Das treibende Schlagzeugspiel und die brodelnden Basslines kollidieren mit kraftvollen Gitarrenakkorden und entrückten Melodiebögen.

Auf diesem packenden Grundgerüst ergründet Tonra wieder einmal die Abgründe der menschlichen Seele. Dieses Mal allerdings mit geändertem Fokus. Stand auf dem Vorgänger ihre eigene Gefühlswelt im Vordergrund, ist der Ansatz auf „Not To Dissappear“ universeller.

Sie singt nicht mehr nur aus ihrer Perspektive, sondern sie spricht viel mehr für alle,  die schon einmal in einem vergleichbaren emotionalen Sumpf versunken sind und keinen Ausweg mehr sahen. Damit steht ihre Person nicht mehr so im Vordergrund wie auf dem Debüt, sondern richtet  den Blick mehr auf die Band als Ganzes. Ihre Gesangslinien stehen natürlich immer noch im Mittelpunkt der Songs, aber um sie herum passiert musikalisch eine Menge mehr.

Die vorab ausgekoppelte Single „Doing The Right Thing“ zeigt diesen neuen Ansatz. Dort nimmt Tonra die Perspektive ihrer Großmutter ein, die an Alzheimer erkrankt ist. Es ist ein Lied über das Verschwinden des Selbst, die Transformation der eigenen Persönlichkeit, während das Leben einfach weiter geht:

And they’re making children
Everyone’s in love
I just sit in silence
Let the pictures soak

“Expressing your emotions isn’t a weakness but a real strength. I think with this album, there’s less hiding,” so Elena Tonra. Sie hat Recht – Emotionen haben enorme Kräfte. Diese wirken auch auf dem zweiten Album von Daughter, welches zwar keine leicht zu konsumierende, aber eben kraftvolle Musik bietet.

Seelische Abgründe treffen auf melancholische Melodien. Daughter haben ihren eigenständigen Sound in den letzten Jahren weiter verfeinert, und mit jeder eisigen Melodie zeigen sie, zu welch atemberaubender Schönheit sie fähig sind.


Kommentare

4 Antworten zu „Daughter – Not To Disappear (Review)“

  1. Die erste Single heißt Doing the Right Thing, einen Song mit dem Titel How to Disappear gibt es nicht. Ansonsten sehr schön geschrieben!

    1. Liebe Elena, du hast natürlich recht. Danke für den Hinweis. Und: Danke!

  2. Ich weiß nicht, ich werde mit dem Album irgendwie nicht warm. Dabei fand ich den Vorgänger noch so gut! Aber die neue Scheibe ist mir irgendwie zu sperrig, verkopft… Vielleicht brauch ich im Winter auch einfach aufbauendere Klänge. 🙂

    1. Komisch, mich hat das Album gleich gepackt. Aber ich kann das gut verstehen; nicht umsonst habe ich Worte wie “Abgründe” und “eisig” benutzt 🙂

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