Gestern bei der Kritik zum neuen Elbow-Album ist es mir wieder durch den Kopf gegangen. ich überlegte, wieviele Sterne ich diesem tollen Longplayer geben sollte. Acht? Neun? Oder gar zehn? Schlußendlich entschloss ich mich dazu, überhaupt keine Wertung in Sterne- bzw. Punkteform zu vergeben, denn wie bei fast allen guten Alben gilt: das Verhältnis, die Bewunderung und die Liebe zu ihnen kann sich monatlich, täglich oder gar stündlich ändern. Was ich heute mit zehn Punkten in den Himmel lobe, nervt mich vielleicht schon morgen dermassen, das ich glatt nur vier oder weniger Punkte/Sterne geben würde.
Das führt mich (wie schon so oft) zu der Frage: braucht es dieses Wertungssystem überhaupt? Was heißt es für mich, wenn ich acht Punkte vergebe? Ist das ein tolles Album? Gar ein großartiges? Steht die 10 für ein absolutes Meisterwerk und die 1 bzw 0 (die ja auch vergeben werden kann) für die absolute Katastrophe? Ich muss zugeben: so richtig durchdacht habe ich das nie.
Im Prinzip vergebe ich nur positive Wertungen. Diese liegen dann zwischen sechs und zehn Punkten. Ganz selten einmal gibt es vier Punkte, aber meistens nur dann, wenn die Erwartung an das Album dermassen hoch (und unrealistisch) waren, das sie gar nich erfüllt werden konnten.
Ich stelle hier nur Musik vor, die ich persönlich gerne höre. Ohne Ausnahme. Alles andere wäre Verschwendung. Von Zeit, von guter Laune und von Nerven. Warum sollte ich mir Musik anhören, die ich nicht mag und dann auch noch negativ darüber schreiben? Warum sollte ich Künstler niedermachen, die ihr Herzblut in ihre Musik stecken und absolut nichts dafür können, das ich mit ihrer Musik nichts anfangen kann?
Deswegen: fast nur positive Reviews. Von Musik, die ich gut finde. Aber welchen Sinn machen dann noch die Sterne? Ich versuche bei jeder Kritik, das Gehörte in Worte zu fassen und meine Erfahrung mit dem Werk oder auch meine Begeisterung mitzuteilen. Meistens finde ich, das reicht. Oder braucht es die Sterne zur schnellen Einordnung in ein (wie auch immer geartetes) Raster? Gerade in Zeiten, in denen man Sachen einfach mag, in dem man auf einen Like-Button drückt. Dort gibt es auch keine Differenzierung.
Ich würde in Zukunft gerne auf das Wertesystem verzichten, aber ich lasse euch mitentscheiden. Also, Argumente für oder gegen die Sternchenwertung bitte!
Foto: visualpanic, CC-Lizenz
Kommentare
19 Antworten zu „Immer diese Punktevergabe. Braucht es die eigentlich?“
Stichwort: subjektiv.
Stimmt m.E. nicht, wenn man anhand objektiver Kriterien bewertet (plumpe Bsp. Aufnahmequali, Abwechslungsreichtum der Songs etc.). Das man jedes Kriterium auch wieder subjektiv deuten kann (der eine fühlt sich bei 10 sehr unterschiedlichen Songs überfordert, der nächste braucht das unbedingt) schadet in der Sache nicht.
Mir als Durchschnittshörer fehlt schlicht die Zeit alles an Neuerscheinungen durchzuhören, darum sind mir die Wertungen der üblichen Verdächtigen eine große Hilfe (und liegen meist auch richtig was mein subjektives Gefallen angeht).
Hey, ich hab gerade deinen Blog entedeckt und kaum hab ich begonnen mich reinzulesen, muss ich mich direkt zu dem philophisches Problem hier äußern.
Also, ich bin im Großen und Ganzen gegen die Sterne. Wie du schon anführst, finde ich sie ebenfalls nicht nur nichtssagend, sondern auch verwirrend. Fast manipulativ. Was weiß ich schon über das Werk, wenn du ihm 6 von 10 Sternen verleihst? Was weiß ich über deine Meinung, wenn du ihm 6 von 10 Sternen verleihst? Niemand auf der Welt hat das gleiche „Bild“ von 6 Sternen. Wenn ich dagegen irgendwo 10 von 10 Sternen sehe, neige ich manchmal dazu einen Beitrag nicht zu lesen, weil ich (Schande über mich), denke, dass eh alles schön und toll sein wird. Wozu dann noch lesen? Dabei verpass ich vielleicht eine gigantische Rezension. Vielleicht frage ich mich aber auch, wenn ich eine 10er Rezension lese, wie die Worte zu den 10 Sternen passen.
Und überhaupt, was sind schon Sternchensymbole im Gegensatz zu Worten? Heute will alles schnell und einfach rezipiert werden. Ob „Gefällt mir“ oder „Sterne“, das definiert ja keine Inhalte.
Abgesehen davon, dass ich die Punktevergabe einfach aufgrund des zugrundeliegenden subjektiven Empfindens und so problematisch sehe, spreche ich mich für die Kraft der Worte aus 🙂
Prinzipiell spricht nichts gegen eine Punktevergabe. Sie schafft die Art von Klarheit, die derjenige liebt, welcher vieler Worte überdrüssig eine knackige Info wünscht. Wenn du dir solch Leser als Zielgruppe aussuchst, dann solltest du das System beibehalten. Und das meine ich um Himmels Willen nicht abschätzig. Denn Leser, die das kurz und bündige Urteil schätzen, sind keinesfalls Banausen oder schlicht oberflächlich.
Ein klares Bewertungssystem ist dann nicht schlecht, wenn es sich keinen Fetischen hingibt. Wenn Plattentests.de die eigene Wichtigkeit dadurch penetrant präsentiert, dass nur alle Jubeljahre 10 von 10 Punkten vergeben wird, dann wirkt es so elitär wie albern. Selten dämlich auch Abstufungen wie sie Pitchfork präsentiert. Welche Nuancen erlauben die Bewertung eines Albums mit 7.9 und welche mit 4.6? Eine Hunderter-Skala ist willkürlich und täuscht bewusst besondere Akkuratesse vor.
Den Grund, weshalb ich kein klar definiertes Bewertungssystem verwende, will ich nicht verheimlichen. Wie bewerte ich ein Album, das 2 geniale Tracks und jede Menge unterdurchschnittliches Füllmaterial beinhaltet, im Vergleich zu einer Platte mit durchwegs guten Songs ohne jedwedes Highlight? Das lässt sich nicht durch 5 Sterne oder 10 Punkte widergeben, das muss gut begründet und somit schriftlich ausgeführt werden.
Ich denke du kannst locker auf die Sterne verzichten. WIr du ja bereits gesagt hast bewertest du hier eh nur Sachen die dir Gefallen und das reicht dann ja eigentlich als Aussage (neben der Text-Review natürlich) vollkommen.
Ich finde auch, dass du dir in deiner Situation (es werden nur Platten bewertet, die du gut findest) die Vergabe von 6 bis 10 Sternen sparen kannst. Das ist ohnehin alles subjektiv, aber im Bereich von 6 bis 10 dann echt nur noch Haarspalterei ob Platte XY jetzt 6 oder 7 Punkte bekommt.
Was ich sinnvoll fände ist eine ausdrückliche Empfehlung. Also sowas wie eine 1 mit Sternchen, die eben die Platten bekommen die du ohne Einschränkung empfehlen kannst und selbst in deine Lieblingsplatten aufgenommen werden.
Bei allen anderen Platten, die keine Auszeichnung bekommen würde mir deine subjektive Beurteilung in Wortform mehr als genügen.
@Heffer: Hmm, das mit den Extra-Punkten für den Künslter finde ich interessant. Ist aber nur eine erweiterte Variante der normalen Punktevergabe und daher genauso in Frage zu stellen. Das mit dem Daumen rauf oder runter wird bei mir eher nicht funktionieren, da ich kaum Platten vorstellen werde, die ich schlecht finde.
Für mich als Leser macht Bewertung dann Sinn, wenn eine Liste vorliegt, z.B. 30 Alben des Monats oder des Jahres. Das bestimmt dann die Reihenfolge in der ich probehöre.
Wenn das Album jetzt außer Konkurrenz steht (z.B. jede Woche wird ein Album kritisiert) ist keine Bewertung nötig.
Mein liebstes System ist das von Goerge Starostin auf seiner Seite „Only Solitaire“ http://starling.rinet.ru/music/index.htm
Hier gibts Maximal 10 Punkte für ein Album und der Künstler kann Zusätlich 5 für sich verbuchen (Originalität, Hörbarkeit, und noch ein paar andere Faktoren)
Macht 15 für Sgt. Pepper, aber maximal nur 14 für Are Your Experienced von Hendrix.
Das macht allerdings nur Sinn für Musiker mit mehreren Alben (Only Solitaire behandelte fast nur älteres Zeug)
Neuerdings gibt auf der Seite wieder frischeren Content, da wird dann entwerder Daumen rauf oder runter vergeben, finde ich auch keine schlechte Lösung
Hei Nico,
diese Überlegungen kommen mir bekannt vor. Ich habe eine lange Zeit drüber nachgedacht, bevor ich mit mein Blog anfing. Ich tue mich immer mit Bewertungssystemen schwer. Meist wählt man aus dem Impuls heraus eine Zahl. Woran will man diese Punkt fest machen? Und kann man Musik ernsthaft benoten? Da ich mir selbst die Fragen nicht beantworten kann, hab ich bei mir ein Bewertungssystem weggelassen.
Ich lese viel lieber deine Texte. Und die sagen mehr aus als Sterne.
@Tom: Ein solcher Satz, der vielleicht sogar zu Beginn des Reviews exponiert steht, so dass auch auf ein flottes Urteil bedachte Leser damit Leben könnte. Durchaus eine Idee!
@Burgherr:
HMmmm, vielleicht ein knackiger Satz, eine Metapher oder so? Kommt auch bei Labels (siehe „Reviews“ gut an, der geneigte Leser hat was zum Schmunzeln oder Nachdenken und die Sprache wird reicher.
@Timo: OK. Habe ich falsch verstanden bzw. interpretiert 😉
Über die Frage habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Ich kam zu den Ergebnissen, dass
1. Alben m. E. relativ zeitnah zur Veröffentlichung vorgestellt werden sollten. Für eine endgültige Wertung bedarf es aber vieler Durchläufe und der von Dir angesprochenen „Entwicklung“ der Wertung wird man durch ein schnelles Urteil sicher nicht gerecht.
2. Wer sich wirklich für Musik interessiert, wird seine Neugier auf ein Album hoffentlich nicht von der Punktewertung anderer Menschen abhängig machen.
Gleichwohl schaue ich auch immer gerne auf solche Wertungen, weil sie eben eine flotte Einordnung erlauben.
Ich habe mich gegen eine Punktevergabe entschieden und suche noch nach einer griffigen Darstellung eines Urteils zu Alben. Daher freue ich mich darauf, wenn auch Du Dich auf die kreative Suche nach alternativen „Bewertungsformen“ begibst.
@nicorola: Die Frage solltest du dir damit doch gar nicht stellen, es war meinerseits auch eher kritisch dem Wertungssystem gegenüber gemeint. Wertungssysteme sind eben Wertungssysteme. Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Es zählen die inneren Werte (Text), nicht die äußeren (Sterne, Bild whatever).
@Timo: Da stellt sich mir dann aber die Frage: schreibe ich das für die Leser oder für die Musiker / Labels / Promoagenturen, damit diese sich mit den Sternen schmücken? Ich denke, die Antwort dürfte klar sein.
Hey Nico,
ich denke auch ständig darüber nach diese lästigen Sterne weg zu lassen. Letztendlich brauche ich zur „Sternefindung“ meist länger als zum Schreiben des Reviews.
Vermutlich werde ich sie in Zukunft weglassen und hätte daher auch nichts dagenen solltest du es ebenso tun!
Hej Nico,
mit fiel auch schon auf, dass die meisten Wertungen positiv ausfielen, und ausschließlich positive Bewertung lassen schon auch mal die Frage aufkommen, wann’s denn nun mal einen Verriss gibt… nicht, dass es toll wäre, ein Album runterzumachen, in einem Musikmagazin, dass den Anspruch hat, relevante Themen vorzustellen, muß das auch mal sein.
Aber: das hier ist ja kein Musikmagazin, sondern ein persönliches Blog. Und es ist ja irgendwie klar, dass sich ein Mensch am liebsten mit Musik beschäftigt, die er oder sie mag, es sei denn, man wird dafür bezahlt, sich auch anderes anzuhören, wie das eben bei Journalisten der Fall sein kann.
Jedenfalls: es ist ja eh davon auszugehen, dass Dich die hier vorgestellte Musik anspricht und gefällt. Bewertungen müssen da nicht sein.
Wertungssysteme sind für die Momentanaufnahme wichtig. Viel Arbeit wäre es, das ganze laufend zu aktualisieren. Wertungssysteme sind wichtig für die, die bewerten. Eine Band kann schlecht schreiben „Nico hat gesagt wir haben n gutes Album abgelegt“, aber sie kann sagen „Nicorola: 10/10 Sternen“. Wichtig ist das Wertungssystem also für die, die es weitergeben und die die es dann später sehen. Für mich als regelmößiger Leser deiner Reviews sind die Sterne egal, ich lese den Text und sehe was du ausdrücken möchten.
Moin Nico!
Das Problem hatte ich auch schon mehrmals… Bis auf ein Mal blieb ich jedes Mal dabei, dass ich keine Wertung in Punkteform mache. Warum:
– Ich schreibe nicht (mehr) über Musik, die mir nicht gefällt, da ich sie meist nicht lange genug höre und niemandem etwas vergällen will, was ihm eventuell total gut taugt.
– Punkte suggerieren eine Objektivität, die es bei Musik niemals geben kann. Macht man deutlich, dass die Punkte rein subjektiv vergeben werden, dann bleibt immer noch das Problem, dass einem das Album in der einen Situation nicht gefällt und in der anderen super. Was dann, eine Punktespanne vergeben? Auch Quatsch. Und „reifende“ Alben sind ja sowieso oft verloren in der schnelllebigen Kritik-Welt. (Da scheinen mir atm v.a. die deutschen Blogs noch erholsam langsam in ihren Urteilen zu sein!)
– Einen anderen Ansatz verfolgt ja die Visions bei ihren Punkten: Da stellen die Punkte ja gleichsam eine Art Bewertung dar, wie viele Songs auf dem Album gut sind, etwas platt formuliert. Ist aber immer noch ein subjektives Urteil.
– Also können Punkte für uns als Blogger (im Gegensatz zu Seiten wie Nordische Musik oder Magazinen wie Audio, die ja objektive Kriterien wie Aufnahmequalität bewerten – auch wenn da Lo-Fi und Co. natürlich wieder rausfällt) ja nur eine Art knackiges Fazit sein, also quasi eine Tendenz zum Ausdruck bringen, die der Rezensent hat. Gleichsam ein Anhaltspunkt, wie gut das Album ungefääähr ist.
Eine genauere Analyse, die zwangsläufig länger ist als 3 Worte oder eine Note, kann so eine Note natürlich nicht ersetzen.
So viel vom langsamsten Musikblogger 😉