Interview: Fotos

Am 10. September erscheint das dritte Studioalbum der Hamburger Band Fotos. „Porzellan“ ist ihr bisheriges Meisterstück geworden, soviel sei verraten. Nicht nur, weil es das dunkelste, lärmendste und vor allem mächtigste FOTOS-Album ist, sondern auch aufgrund der unglaublich tollen Songs. So kratzbürstig sich dieses Album auch manchmal gibt, ist es letztendlich doch reinster, strahlender Pop.

Hallo! Vielen Dank, das du dir die Zeit für ein paar Fragen nimmst. Kannst du dich bitte kurz vorstellen?

Ich bin Tom Hessler von der Gruppe Fotos aus Hamburg.

Nach mittlerweile 10 Durchläufen muss ich euch zu eurem fantastischen neuen Album gratulieren. Obwohl ihr ja „Mauer“ als Single ausgewählt habt, klingt „Porzellan“ für mich wie ein Album aus einem Guss. Inwieweit habt ihr eher an einem Album als an einzelnen Songs gearbeitet?

Es war von Anfang an klar, dass wir ein Album als ganzes ohne lästige, auf Radiomaßstäbe getrimmte Singles produzieren wollten. Gerade weil wir dem Druck, den wir früher beim Major hatten, nicht mehr ausgesetzt waren und ein Album machen wollten, das vor allem uns selbst überzeugt.

Euer erstes Album war ja noch sehr vom britischen Indierock beinflusst, auf eurem zweiten habt ihr euch anderen Einflüssen wie Soul oder Funk geöffnet. Auf „Porzellan“ hört man jetzt überhaupt keine Nu-Wave-Gitarren mehr, statt dessen fahrt ihr teilweise ganz schöne Shoegaze-Gitarrenwände auf. Wann war für euch klar, dass ihr ein anderes Album, eine andere Musik machen und euch verändern und wandeln wollt?

Jedes Album entsteht auf der Basis einer Grundidee. Diese Grundidee gibt Textthemen und das damit verbundene Soundgewand vor. Im Rahmen dessen entstehen eine Reihe Songs von denen die besten auf dem Album landen. Wir sehen das neue Album als krasses Gegenteil zum letzten, das sehr trocken und unräumlich ist. Beide Alben beschäftigen sich mit Leere, vertonen Leere. Das letzte klingt wie ein Vakuum, das neue füllt den leeren Raum mit Klang und macht ihn dadurch hörbar.

Gibt es konkrete Einflüsse aus der letzten Zeit oder steckte dieser Sound schon lange in euch?

Der Pop ist alt und frisst sich nur noch selbst.Wir hören gerne britische Musik aus den 80igern, ob New Wave oder Shoegaze, aber auch Klassik, Eklektronik, Folk und Filmmusik. Überhaupt mögen wir Musik sehr gerne. Einflüsse sind unvermeidbar in dieser eklektizistischen Zeit. Der Pop ist alt und frisst sich nur noch selbst. Aber wir haben ihn eben alle so gern dass wir ihn auch nicht sterben lassen wollen.

Möchtet ihr als Band immer unberechenbar bleiben?

Wir machen was uns gefällt. Vor allem jetzt ohne Plattenfirma ist das sehr befreiend. Unser Leben lang das gleiche Album aufzunehmen ist für uns keine Option. Auch wenn man immer noch von vielen konservativen Musikhörern als unauthentisch verdammt wird, wenn man auf jedem Album neue Wege geht, aus Spass an der Veränderung und aus Neugier. Kunst sollte nie stagnieren. Wenn wir auf Stagnation aus gewesen wären, wären wir Banker geworden.

Ihr habt also keine Ahnung, wohin die Reise bei eurem nächsten Album gehen wird?

Nein.

Wieviel Einfluss hatte Olaf Opal auf die neuen Stücke?

Er hatte in erster Linie Einfluss auf mich als Künstler, mir neues Selbstbewusstsein gegeben. Der Sound der Stücke war auch in den Demos schon klar formuliert. Durch Olaf aber ist er noch wesentlich konkretisiert worden. Sozusagen von 2d nach 3d.

Eure Songtitel sind auf dem neuen Werk eher düster und passen damit perfekt zur Musik. „Nacht“, „Feuer“, „Angst“, „Alles schreit“, „Raben“. Auch inhaltlich sieht es bei euch aktuell nicht rosig aus. „Ich baue eine Mauer um mich“ oder auch „Wie ein Insekt bin ich gesteckt, auf einer Nadel, fährt ein Pfeil in meinen Magen, aus Metall“ mˆgen hier als Beispielzeilen herhalten. Ergaben sich die Texte aus eurem neuen Sound oder entwickelten sich die Texte völlig losgelöst?

Die Stimmung war eben nicht rosig als ich die Texte und die Musik schrieb, meist entstand beides gleichzeitig.

Eure ersten beiden Alben erschienen bei EMI Music, euer neues Album wird von Snowhite veröffentlicht. Seid ihr froh, den sicherlich recht groflen Druck des Majors los zu sein?

Wir sind jetzt auf eigenen Wunsch frei und haben Snowhite als Promoagentur engagiert. Wir wollen nie mehr zurück in dieses Korsett und bereuen, dass wir so naiv waren zu glauben, wir wären eine Ausnahmeband, die nicht zermahlen wird von der Mühle des Mainstream-Drucks, der bei Plattenfirmen in diesen Zeiten mehr denn je herrscht.

Wenn ich es richtig mitbekommen habe, werden die Tickets für eure anstehenden Livetermine nur auf eurer eigenen Homepage vertrieben und etwas aussergewöhnlicher sein. Was steckt dahinter?

Die Firma Tickettrickser war früher der hauseigene Ticketvorverkauf des Hamburger Buback Labels. Als diese keine Zeit mehr dafür hatten, hatte ich die Idee den Laden zusammen mit unserem Manager Arne und unserem ehemaligen PM Sven zu übernehmen und limitierte Kontingente anzubieten. Liebevoll gestaltete Fantickets im individuellen Design der jeweiligen Band, direkt vertrieben auf den Seiten der Bands, zusammen mit einem Geschenk für die Fans, das auch jede Band individuell aussucht. Dabei verdienen wir nicht viel aber bieten eine schöne Alternative zum hässlichen CTS Standartticket an. Da kann man dann ja für 120 Euro ein U2 Ticket kaufen…

Auf meinem Blog gab es kürzlich ein Tourtagebuch der Band Pitchtuner, die in Japan und China unterwegs waren und einen sehr interessanten Einblick in die doch ganz andere Kultur boten. Auch ihr wart mit dem Goethe Institut vor 2 Jahren schon einmal in China. Bei euch steht in Kürze eine weitere Asien-Tour an, diesmal stehen z.B. Pakistan, Sri Lanka und Indonesien auf dem Programm. Was erwartet ihr und wie bereitet ihr euch vor?

Wir werden unseren Kameramann Martin mitnehmen, einen Freund der Band, der auch unsere Produktionsdiarys und Podcasts dreht. Er wird einen 90minütigen Dokumentarfilm über die Reise drehen, der voraussichtlich im Fernsehen laufen wird. Nach unseren bisherigen Reisen nach Armenien, Mexiko, Zentralasien oder China wissen wir, das man die Eindrücke dieser Reisen unbedingt festhalten muss. Für sich selbst, aber eben auch für die heimische Zuhörer- / Zuschauerschaft. Ein Land wie z.B. Indien bietet sich dafür sehr an. Wir hatten schon mit Lebensmittelvergiftungen zu kämpfen, werden also Antibiotika mitnehmen, aber auch die ein oder andere Impfung kann nicht schaden.

Vor Kuzem startete in Deutschland mit simfy ein Streaming-Angebot, welches die eigene Plattensammlung im Prinzip überflüssig macht. Für 10 Euro im Monat hat man Zugriff auf ¸ber 6 Millionen Songs (so zumindest die Werbung) und kann diese auch auf dem eigenen Mobiltelefon immer dabei haben. Wie steht ihr als Künstler dazu?

Als Künstler verdient man mit Angeboten aus der digitalen Welt recht wenig. Für einen Song, der bei ITunes verkauft wird, bekomme ich wenige Cents. Bei den Pauschal-Angeboten noch weniger, da dort vor allem die Großen wie Robby Williams oder Metallica die Löwenanteile verdienen. Das Album seiner Lieblingskünstler zu kaufen ist immer noch der beste Weg um ihn zu unterstützen. Aber wenn man ehrlich ist, macht das doch kaum einer mehr. Selbst etablierte Künstler, die vor 1000-2000 Menschen live spielen, verkaufen kaum noch genug Alben um ihre Herstellungskosten einzufahren. Wir haben das neue Album nur über Förderung und durch den Verlag finanziert bekommen. Wie das nächste finanziert wird, ist noch unklar. Als Künstler hört man aber nicht auf zu produzieren, nur weil das Geld fehlt. Man muss weitersenden. So oder so.

Vielen Dank für das Interview.

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„Porzellan“ bei Amazon

http://player.vimeo.com/video/14207992

Fotos – Mauer (Musikvideo) from Snowhite on Vimeo.

Den Song Porzellan kriegt ihr übrigens nach wie vor umsosnt gegen die Angabe einer gültigen E-Mail-Adresse auf der Homepage der Band.

www.fotosmusik.de

Kommentare

  1. Avatar von Jens Thaden

    Ist wirklich schwierig heutzutage noch gute deutschsprachige Musik zu finden. Und meistens sind es ja die musikalisch eher durchsichtigen und weniger anspruchsvollen Stücke, die Erfolg ernten. Die Jungs haben auf jeden Fall den Mitwippeffekt gebucht und irgendwie hat das nen Groove mit Ohrwurmchance. Schöner Beitrag!