Kritik: Frightened Rabbit – Pedestrian Verse

Das vierte Album zeigt die Band sowohl im Sound als auch im Songwriting gereift und ist zu gleichen Teilen mitreißend und herzerwärmend.

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Irgendwo in meinem Unterbewusstsein erschallten die Hörner der Altvorderen. Sie wollten mich warnen. Nur wovor? Hatte ich etwa Angst, das das vierte Album meiner Lieblingsschotten durch den Major im Rücken nach Ausverkauf klingen würde? Vielleicht. Aber dieses Major = Ausverkauf ist heutzutage fast nur noch ein Mythos, und so stürzte ich mich kopfüber in diese 12 neuen Songs. Und ich wurde nicht enttäuscht; die Warnungen waren also wirklich völlig unnötig. Der Grundton ist wie immer positiv melancholisch, ein Markenzeichen der Band um Frontmann Scott Hutchison. Schon der wundervolle Opener „‚Acts of Man“ nimmt mich für den Rest des Albums ein, ein offenherziger, romantischer kleiner Song mit perkussiver Drumarbeit.

Schon mit dem folgenden „Backyard Skulls“ liefern sie den ersten Höhepunkt und offenbaren eine neue Frische und Dichte sowohl in Songwriting als auch im Sound, die es so auf vergangenen Alben nicht gegeben hatte (das Saxofon sei ihnen verziehen, da es sehr stark in den Hintergund gemischt wurde). Es folgt mit „Holy“ einer meiner Lieblingssongs, eine Art Verbeugung vor New Order oder auch The Cure. Hier wird der Basslauf im Tempo allerdings stark angezogen und emanzipiert sich damit von den Vorbildern. Ich sehe vor meinem geistigen Auge immer diese Filmszene, wenn ich den Song höre.

Mein zweiter Favorit ist das wundervolle „State Hospital“, aus dem auch der Albumtitel entlehnt ist. Es beginnt in der frühen Morgendämmerung; es ist neblig, und ganz weit entfernt hört man ein paar Trommelschläge. Wenn dann zum ersten Mal diese drei Töne einsetzen, dann ist bei mir Gänsehaut angesagt. Zuerst hört man sie ganz zart im Hintergrund mit einer Hammond-Orgel gespielt, dann werden sie später auf der Gitarre weitergeführt und nach dieser Vollbremsung im Mittelteil leiten sie das fulminante Ende ein.

Frightened Rabbit machen genau da weiter, wo sie mit „The Winter Of Mixed Drinks“ aufgehört haben. Sie liefern mitreißende Songs, kleine Hymnen mit großartigen Refrains. Dabei haben sie ihren Sound verfeinert und klingen hier zum ersten Mal so richtig nach Band. Deren Essenz nach wie vor die Hoffnung ist, auch wenn man bei einigen Songs das Bedürfnis nicht abschütteln kann, Scott Hutchison einfach mal zu drücken und ihm zuzuraunen: „Alles wird gut, du!“

Kommentare

  1. Avatar von Carina
    Carina

    sehr sehr schöne plattenkritik
    ich finde es immer schön, wenn leute nur über das schreiben, was ihnen gefällt, man merkt das direkt. das fiel mir hier schon öfter auf.
    richtig gute arbeit.

    1. Avatar von nico