Kritik: Jamie Lidell – Jamie Lidell

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Meine Verehrung für Jamie Lidell fing mit dem Song “Multiply” an, den ich nach wie vor für einen der besten der Nullerjahre halte. Der Konzertbesuch im Berliner Admiralspalast zementierte dann die Bewunderung. Ich halte mich ganz bewusst etwas auf Distanz, denn so richtig Fan wurde ich ehrlich gesagt nie. Das Album “Jim” war eine luftige, unbeschwerte Retro-Angelegenheit, die zeigte, das Lidell auch mit Soul gut umgehen konnte. Bei dem Nachfolger “Compass” blieb zwar der Soul, es wurde aber auch sperriger und progressiver. Das mag mit Sicherheit an Beck gelegen haben, dessen Einfluß man durchaus heraus hört. Auch hier ist der Titelsong nach wie vor ein hörenswerter.

Jetzt also das selbstbetitelte Album. Der Soul ist verschwunden, dafür schlägt mir der Funk der Achtziger um die Ohren. Der Opener “I’m Selfish” klingt dann auch, als würden sich Jamie Lidell, George Clinton und Prince in einer Bar im Captain Future-Universum treffen um sich einen futuristischen Drink zu genehmigen.

Ich muss gestehen, das mir der Funk in den Achtzigern so richtig gar nichts gab und ich auch jetzt, Jahre später, noch immer nichts mit dieser Musik anfangen kann. Ich habe auch gelesen, das er sich für sein neues Studio in Nashville eine SSL-Console mit 56 Kanälen geleistet hat, und zwar genau die, auf der auch die Single “Opposites Attract” von Paula Abdul abgemischt wurde. Und so klingt das Ergebnis dann stellenweise auch.

Auf mich wirkt diese Musik ein wenig so, wie sich die Regisseure etlicher Filme aus den Achtzigern die Beschallung in den wilden Clubs und Diskotheken vorgestellt haben. Und mir geht es dann auch ähnlich wie den Protagonisten: sie fühlen sich irritiert, deplatziert und überfordert und haben nur das Ziel, möglichst schnell den Zeugen / die Angebetete / das Opfer / den Täter zu finden und diesen Ort sofort wieder zu verlassen.

Für mich klingt hier alles ein wenig zu sehr nach “Hört mal her, was ich kann!” und leider viel zu selten nach “Hört mal her, was ich euch zu sagen habe!”. Schade.


Kommentare

3 Antworten zu „Kritik: Jamie Lidell – Jamie Lidell“

  1. Verdammt, ich hatte so etwas in der Art befürchtet. 🙁

  2. Ich fand den Funk 1980’er super und mir gefällt “Jamie Lidell”, allerdings bist Du jetzt Nr. 3 die das Album genau aus diesem Grund nicht mögen. Warten wir ab, wie er es live präsentiert.

    1. Ja, ich kann mir vorstellen, das alle, die mit Prince & Co kein Problem haben, dieses Album mögen oder sogar lieben werden. Ich kann es allerdings nicht, obwohl ich Jamie Lidell wie beschrieben verehre und seine Musik bisher auch mehr als mochte. Live ist — genau wie du sagst — ein ganz anderes Thema.

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